6. Mathematik im italienischen Spätmittelalter

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  • • Die norditalienischen Städte Pisa, Genua, Venedig, Mailand, Florenz wurden im 12. und 13. Jhdt. zu Zentren des Handels zwischen der arabischen Welt und Europa
    • Italienische Kaufleute reisten in den Orient und lernten die dortige Kultur und Wissenschaft kennen
    • In den norditalienischen Städten entwickelte sich gleichzeitig ein Kaufmannskapital und frühe Formen eines Handelskapitalismus
    • Praktische Rechenaufgaben entstanden somit vor allem auch im ökonomischen Leben mit Fragen von Kapitalberechnungen, Zinsaufgaben, Erbangelegenheiten, etc., es entwickelte sich ein eigener Berufsstand dafür
  • Biografie Leonardo da Pisa, ca. 1170 – 1250
    o Stammte aus der Bonacci-Familie, nannte sich filio Bonacci, was später Fibonacci abgekürzt wurde
    o Lernte die Mathematik der Araber schon als Knabe kennen: reiste mit seinem Vater , dem Sekretär der Republik von Pisa, nach Ägypten, Syrien, Sizilien, Byzanz
    o Studierte in Nordafrika und lernte dort sowohl die klassische griechische Mathematik als auch die praktischen Vorteile des hindu-arabischen Zahlensystems kennen
    o brachte auch die rhetorische Algebra nach Europa mit
    o wirkte ab 1200 in Pisa
  • o Erhaltene Werke Leonardos
    Liber abaci (1202, zweite Auflage 1228): dort erklärt und propagiert er das indo-arabische Zahlensystem
    Practica geometriae (1220)
    ▪ drei weitere kleinere Schriften
    ▪ ein Werk über Irrationalitäten, begründet auf dem 10. Buch der Elemente Euklids, ging verloren
  • • Practica Geometriae (1220)
    o finden sich viele Ergebnisse der griechischen und islamischen Geometrie (z.B. die Verdopplung des Würfels)
    o Leonardo verband praktische Messungsprobleme in der Tradition Herons mit theoretischer Geometrie im Stil von Euklid und Archimedes
  • Liber Abaci (1202)
    o Besteht aus 15 Kapiteln (beginnt simpel, die letzten beiden sehr fortschrittlich)
    o Durch das Liber Abaci wurden die indisch arabischen Zahlen allmählich in Europa eingeführt
    o Fibonacci erklärt, wie die römischen Zahlen in indisch-arabischer Schreibweise aussehen
    o Enthält Additions- und Multiplikationstabellen für das kleine 1+1 und das kleine 1*1
  • Fingerrechnen zur Unterstützung
    ▪ Eindeutige Darstellung der Zahlen bis 9999 mit zwei Händen wird erläutert
    ▪ (digitus = Finger)
    Einer: kleiner, Mittel-, Ringfinger der linken Hand
    Zehner: Daumen und Zeigefinger der linken Hand
    Hunderter: kleiner, Mittel-, Ringfinger der rechten Hand
    Tausender: Daumen und Zeigefinger der rechten Hand
  • o Neunerprobe
    ▪ Idee: Restklassenarithmetik: Rechnungen (+, -, *) müssen auch modulo einer beliebigen Zahl richtig sein
  • Neuner- und Elferprobe, da Quersumme (mod 9) und alternierende Quersumme (mod 11) leicht zu berechnen sind
    ▪ Richtigkeit der Rechnungen in der Restklassenarithmetik ist notwendig, aber nicht hinreichend
    • Neunerprobe versagt bei Gleichheit mod 9
    • Elferprobe versagt bei Gleichheit mod 11
    • Kombination ist besser, versagt bei Gleichheit mod 99
  • Leonards rhetorische Algebra
    ▪ Anwendungen des Pythagoras
    ▪ Lineare und quadratische Gleichungen nach al-Khwarizmi (6 Arten quadratischer Gleichungen)
    ▪ Bezeichnungen: quadratus (census) für x^2, radix für x, numerus für Zahl
    ▪ Lösung durch quadratische Ergänzung, ebenfalls mit geometrischer Figur
    ▪ Negative Zahlen werden manchmal zugelassen und dann als Schulden interpretiert
  • Fibonacci-Zahlen
    ▪ Kaninchenproblem
    ▪ Quotient zwei aufeinanderfolgender Folgenglieder nähert sich dem goldenen Schnitt
    ▪ Nur kleines Seitenproblem im ganzen Werk
    ▪ Hauptintention und Bedeutung des Werks liegt in der Einführung der indo-arabischen Zahlen und ihrer Verwendung, vor allem im kaufmännischen Kontext
    ▪ Diese Art von Verzerrung ist nicht untypisch für die mathematische Geschichtsschreibung
  • Erfindung des Buchdrucks (Folie 431 – 441)
    • Einschneidendes Ereignis in der Wissenschaftsgeschichte
    o Johannes Gutenberg um 1400 als Johannes Gensfleisch in Mainz geboren
    o zwischen 1434 und 1444 längerer Aufenthalt in Straßburg, wo auch schon Vorarbeiten zum Buchdruck geleistet werden
    o ab 1448 nachweislich in Mainz, unternimmt mit Finanzierung durch den Mainzer Advokaten Johannes Fust das Großprojekt des Druckes von 180 vollständigen Bibeln
  • Erfindunge(en) des Buchdrucks
    o Entstehung des Buchdrucks war keine einzelne Erfindung, sondern bestand in einer Vielzahl von Einzelinnovationen zusammen mit einem Großprojekt zur ökonomischen Durchsetzung der neuen Technologie
    o Charakteristikum: Massenvervielfältigung von Texten mittels beweglicher, metallener Lettern
  • Dafür erforderlich (jeweils vieles zu bedenken):
    ▪ Techniken zur Herstellung der Lettern (100.000 Lettern für B42)
    ▪ Legierungen für die Bleilettern
    Druckerschwärze
    ▪ Farbauftrag (Druckerballen)
    ▪ Mechanik der Herstellung des Satzspiegels (Satzkästen, etc.)
    ▪ Bau und Wartung der Druckerpresse (Technologie der Weinherstellung)
    Papierherstellung, -aufarbeitung und -nachbearbeitung
  • Gutenberg-Bibel
    o in lateinischer Sprache, 42 zeilig (“B42”)
    o 180 Exemplare hergestellt in drei Jahren zwischen 1452 und 1454, davon 40 auf Pergament, die anderen auf Papier; heute weltweit noch erhalten 49 Exemplare (zwei davon in Mainz)
    o nachträgliche Kolorierung mit Hand
    o Für manuelle Abschrift einer Bibel ca. 3 Jahre, Gutenberg druckte in dieser Zeit 180 Exemplare mit ca. 20 Mitarbeitern, also 10% der Herstellungskosten pro Exemplar
  • o Inkunabeln (lat. incunabula: Wiege, Windel) oder Wiegendrucke sind die frühesten Erzeugnisse der Buchdruckerkunst
    o Als Inkunabel werden mit beweglichen Lettern gedruckte Schriften bezeichnet, die zwischen der Mitte der 15. Jahrhunderts und dem 31.12.1500 erzeugt worden sind
    o Die Gutenbergbibel, die zwischen 1452 und 1454 gedruckt wurde, gilt als erster vollständiger Inkunabeldruck
    o Weltweit sind ca. 550.000 Exemplare von ca. 27.500 verschiedenen Werken erhalten
    o weltweit größte Inkunabelsammlung besitzt die British Library; in Deutschland besitzt die Bayrische Staatsbibliothek
  • Ökonomische Durchsetzung
    o Zur ökonomischen Durchsetzung des Buchdrucks wurden zunächst Texte gedruckt, die einen hohen Absatzmarkt hatten
    Gutenberg-Bibel
    Ablassbriefe
    Kalender
    Donaten: lateinische Grammatiken
    o Schon im 15. Jhdt. war die Zahl der gedruckten Bücher höher als die der im gleichen Zeitraum angefertigten Manuskripte
    o Bis Ende des 15. Jhdts. gab es in den meisten Städten eine Druckerei
  • Folgen der Einführung des Buchdrucks
    o Mit der Entstehung des Buchdrucks ändert sich die Geschichte des menschlichen Geistes so grundlegend, dass die Bedeutung nicht zu unterschätzen ist
    o Wissenschaftliche Erkenntnis wird einer viel größeren Zahl von Menschen zugänglich und ist auch nicht mehr lokal an einzelne Gelehrte gebunden
    o Es entstehen neue Schultraditionen und die Alphabetisierung der Bevölkerung nimmt erheblich zu
  • o Wissenschaftliche Erkenntnis ist sehr viel weniger der Gefahr des Vergessens und Verlusts ausgesetzt, da publiziertes Wissen vervielfältigt in vielen Bibliotheken gelagert und gepflegt wird
    o Als Medienrevolution in der Menschheitsgeschichte ist die Einführung des Buchdrucks vergleichbar mit der Entstehung des Internets
    o Für die Mathematik in Deutschland: Adam Rieses Werk wäre ohne den Buchdruck nicht möglich gewesen
  • Fra Luca Pacioli (Folie 443 – 446)
    • 1445 – 1514
    • publiziert 1494 Summa de Arithmetica, Geometria, Proportioni et Proportionalita
    • dieses Werk gibt den damaligen Wissensstand in der praktischen Mathematik einschließend der Algebra umfassend wieder
    • befreundet mit Künstlern wie Leonardo da Vinci und Piero della Francesca