Strukturmodelle sozialer Ungleichheit 2

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  • Weitere Determinanten sozialer Ungleichheit
    Die Strukturmodelle versuchen Positionen oder Ressourcen zu bündeln, die (partiell) hierarchisierbar sind und vorteilhafte bzw. nachteilige Lebenschancen eröffnen. Sie setzen direkt an Merkmalen sozialer Ungleichheit an.
  • Weitere Determinanten sozialer Ungleichheit
    Wir betrachten nun Merkmale, die nicht per se soziale Ungleichheiten, sondern soziale Unterschiede darstellen.
    Sie können zu Determinanten sozialer Ungleichheit werden, wenn Personen auf dieser Basis unterschiedlich handeln oder behandelt werden.
  • Weitere Determinanten sozialer Ungleichheit
    Die z.T. gebräuchliche Unterscheidung zwischen „vertikalen“ und „horizontalen“ Ungleichheiten ist missverständlich.
  • Geschlecht = auf biologischen Merkmalen basierende, sozial überformte Zuweisung eines Individuums zu einer Fortpflanzungskategorie
  • Geschlecht
    • Zuweisung beginnt pränatal oder qua Geburt (z.B. Namensgebung)
    • Binäre Einteilung in männlich und weiblich
    • Dritte Kategorien können biologisch (Intergeschlechtlichkeit) oder sozial (Transgeschlechtlichkeit) begründet sein.
  • Gender = inter- und intrageschlechtlich variable Ausformung geschlechterbezogener Normen, Einstellungen und Verhaltensmuster
  • Geschlechterrollen: Gesamtheit kollektiver Verhaltenserwartungen an eine Geschlechterkategorie
  • Geschlechteridentitäten: Selbstkategorisierungen und -beschreibungen des Geschlechts
  • Ethnie (ethnische Gruppe) = Aggregat von Akteuren, die Abstammungsgemeinsamkeiten des Körpers (z.B. Hautfarbe), der Sprache, Religion oder räumlichen Herkunft teilen
  • Ethnizität = inter- und intraethnisch variable Ausformung ethnischer Normen, Einstellungen und Verhaltensmuster
  • Ethnische Identitäten: Selbstkategorisierungen und -beschreibungen
  • Das globale Konzept der Ethnie ist sinnvoll bei einer Kristallisation der Teildimensionen. Je nach Fragestellung kann aber die Operationalisierung einzelner Teildimensionen sinnvoll sein!
  • Rasse = Große Population von Individuen, die in einem signifikanten Anteil ihrer Gene übereinstimmen
  • Etwa 85% der genetischen Variation finden sich innerhalb lokaler Populationen, nur ein geringer Anteil zwischen interkontinentalen Großpopulationen („Rassen“)
  • In der internationalen Forschung wird „Rasse“ oft auf die Hautfarbe reduziert, zum Teil in Kombination mit der Abstammungslinie
  • Nation (nationale Herkunft) = Politische Gemeinschaft, die ihren Angehörigen politische Rechte und Pflichten zuerkennt → Staatsbürgerschaft; Rechtskapital
  • Migrationshintergrund und Generationenstatus
    In Deutschland werden ethnische Kategorienzugehörigkeiten meist über die Staatsbürgerschaft, die Migrationserfahrung, das Herkunftsland und z.T. über den Sprachgebrauch bestimmt.
  • Migrationshintergrund
    Staatsbürgerschaft:
    -Eigene SBS (bei Geburt bzw. aktuell)
    -Elterliche SBS (bei Geburt)
    Migrationserfahrung:
    -Eigenes Geburtsland
    -Elterliches Geburtsland
  • Generationenstatus
    1 Generation: Im Ausland Geborene, die selbst zugewandert sind
    1,5. Generation: Im Ausland Geborene, die früh in der Kindheit zugewandert sind
    2. Generation: Im Inland Geborene, deren Eltern zugewandert sind
    2,5. Generation: Im Inland Geborene, deren einer Elternteil im Inland und deren anderer im Ausland geboren wurde
    3. Generation: Im Inland Geborene von Eltern der 2. Generation
  • Migrationshintergrund in der amtlichen Statistik in Deutschland
    Amtliche Definition bis 2016: „Zu den Menschen mit Migrationshintergrund zählen alle Ausländer und eingebürgerte ehemalige Ausländer, alle nach 1949 als Deutsche auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Zugewanderte sowie alle in Deutschland als Deutsche Geborene mit zumindest einem zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil.“
  • Migrationshintergrund in der amtlichen Statistik in Deutschland
    Amtliche Definition seit 2017: „Eine Person hat einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt besitzt.“
  • Migrationshintergrund im dt. Mikrozensus 2018
    Mit Migrationshintergrund: 25,5% (20,8 Mil)
    -Deutsche Staatsangehörige 52,4%
    -Auslandische Staatsangehörige 47,6%
  • Zeitkategorien: Lebensverläufe und Kohorten
    Die Zeitlichkeit der Sozialstruktur:
    Lange wurden soziale Ungleichheiten nur in der Querschnittsperspektive betrachtet.
  • Zeitkategorien: Lebensverläufe und Kohorten
    Die Zeitlichkeit der Sozialstruktur:
    Seit den 1990er Jahren wird verstärkt der Lebensverlauf von Individuen in der Längsschnittperspektive betrachtet.
  • Zeitkategorien: Lebensverläufe und Kohorten
    Die Zeitlichkeit der Sozialstruktur:
    Menschen sind in zwei Zeitstrukturen eingebettet:
    1. Lebenszeit: Die Lebenszeit kann als Ressource unterschiedlich investiert werden; die Investitionen haben z.T. bindende Wirkung
    2. Historische Zeit: Die zu einem Zeitpunkt gegebenen Opportunitäten und Institutionen der Gesellschaft bestimmen die Handlungsmöglichkeiten
  • Zeitkategorien: Lebenszeit
    Lebensalter = biologisch-kalendarischer Abschnitt der Lebenszeit eines Akteurs
  • Zeitkategorien: Lebenszeit
    Lebensverlauf (bzw. Lebenslauf) = institutionalisierte Abfolge von Ereignissen und Aktivitäten in verschiedenen Lebensbereichen von der Geburt bis zum Tod
  • Zeitkategorien: Lebenszeit
    In modernen Gesellschaften weist der Lebensverlauf eine erwerbszentrierte, durch staatliche Institutionen (Bildungs- und Rentensystem) geprägte Dreiteilung auf, die zugleich nach familialen Ereignissen strukturiert ist
  • Zeitkategorien: Historische Zeit
    Kohorte = Aggregat von Akteuren, die durch ein gemeinsames Startereignis gekennzeichnet ist (z.B. Geburt → Geburtskohorte)
  • Zeitkategorien: Historische Zeit
    Generation = Aggregat von Akteuren, die in ihrer Sozialisation demselben historischen Ereignis ausgesetzt waren und dadurch miteinander verbunden sind (z.B. Zweiter Weltkrieg → Kriegsgeneration)
  • Zeitkategorien: Historische Zeit
    Es ist wichtig, Effekte des Alters (bzw. Lebensverlaufs) von solchen der Kohortenzugehörigkeit (bzw. Generation) zu trennen
  • Räumliche Kategorien
    Räume / Regionen = mit Opportunitäten ausgestattete, durch Institutionen geprägte, geografisch abgrenzbare Gebiete
  • Räumliche Kategorien
    Wie die Zeit bestimmt auch der Raum die Handlungsmöglichkeiten der Akteure (→ strukturelle Wahrscheinlichkeiten)
    • Kleinräumige wie großräumige Einheiten können sinnvoll sein.
    • Viele Raummodelle haben eine Zentrum-Peripherie-Dimension.
    • Kontexteffekt = Einfluss einer Makrovariable auf ein individuelles Outcome (Beispiel: Ausstattung/Qualität von Schulen → eigene Schulleistung)
    • Kompositionseffekt = Einfluss der sozialen Zusammensetzung einer Population auf ein kollektives Outcome (Beispiel: Migrantenanteil in einer Region → Durchschnittsergebnis PISA)
  • Räumliche Kategorien
    In der Sozialstrukturanalyse werden häufig politisch-administrative Raumeinheiten zugrunde gelegt. (Beispiele: Bundesländer, Regierungsbezirke, Kreise, Gemeinden, statistische Bezirke, Wahlbezirke, Baublöcke)
  • Räumliche Kategorien
    Politisch-administrative Raumeinheiten sollten so gruppiert werden, dass sie möglichst genau die Kontextmerkmale abbilden, die für die konkrete Fragestellung relevant sind.
  • Räumliche Kategorien
    Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) bietet dafür in Deutschland verschiedene Modelle an:
    • Siedlungsstrukturelle Regionstypen: Klassifikation nach Stadtgrößenstrukturen und Einwohnerdichte
    • Stadt-Umland-Verflechtungen
    • Arbeitsmarktregionstypen
    • Wohnungsmarktregionstypen
  • Weitere Determinanten
    Sexuelle Orientierung:
    • Geschätzter Anteil nicht-heterosexueller Erwachsener in DE: ca. 1,9% Großstädte B/K/F/M ca. 4,5-5,5%
    • Andere westliche Länder: ca. 2,0-3,5%
  • Weitere Determinanten
    Behinderung und Beeinträchtigung:
    • Anteil der Menschen mit Beeinträchtigungen, DE 2013: 15,8%
    • Altersbezug: 2% (<15 J.), 5% (15-44 J.), 19% (45-64 J.), 35% (65-79 J.), 47% (≥ 80 J.)
    • Schwerbehinderung nach Arten (BMAS 2016: 46): Körperliche Behinderung (62%); Blindheit & Sehbehinderung (5%); Sprach-/Sprechstörung, Taubheit, Schwerhörigkeit, Gleichgewichtsstörung (4%); Psychische Behinderung (7%); Geistige Behinderung, Lernbehinderung (4%); Sonstige Behinderung (18%)
  • Weitere Determinanten
    Gesundheitliche und körperliche Determinanten:
    • Gesundheit/Krankheit kann eine Determinante genauso wie eine Folge sozialer Ungleichheit sein
    • Gesundheitliche Ungleichheiten haben eine körperliche Dimension. Darüber hinaus können körperliche Bezüge anderer Art zur Determinante sozialer Ungleichheit werden. (bsp.: Übergewicht; Physische Attraktivität)
  • Bewertung der Strukturmodelle und Determinanten sozialer Ungleichheit
    Einwände gegen Klassen- und Schichtmodelle:
    • Nichterwerbstätige können nicht klassifiziert werden. Lösung: Einordnung nach dem 1. zuletzt ausgeübten Beruf, 2. Beruf des Partners, 3. Beruf der Eltern
    • Nichtökonomische Merkmale werden ausgeblendet. Alternativkonzepte: Soziale Lagen, Milieus, Lebensstile