Aktuelle Berichterstattung

Cards (23)

  • Wie spiegeln sich Auswahlprozesse in Berichterstattung?
    „The debate over bias usually concerns the media’s putative (= vermeintlich) ideological or partisan tilt. However, it is often treated in a much broader context, as any deviation from an objective account of reality. (…) Insofar as news is a specific form of discourse, any of its characteristics can be seen as bias. Such biases are often cast as structural, either to indicate that they are inherent in news or to distinguish them from political or ideological biases.”
  • Wie spiegeln sich Auswahlprozesse in Berichterstattung?
    „Kahneman and Tversky used the term [bias] with a negative connotation: (…) a bias is defined as the difference between human judgment and a ‘rational’ norm (…).”
  • Ausgewählte Verzerrungen: Tonality Bias
    Vorherrschender Tenor in der dargestellten Bewertung zu einem Thema
    ▪ Bewertung
    • Es wird der Eindruck einer vorherrschenden Meinung suggeriert, der nicht der Realität entspricht
    • Gemeint ist hier Verzerrung der dargestellten Bewertungen
    • Journalistische Bewertung ist durchaus legitim, insbesondere in Kommentaren
    → Achtung: Zentrales Gebot der Trennung von Meldung und Meinung
  • Ausgewählte Verzerrungen: Tonality Bias
    ▪ Zentrale Probleme
    • Für Journalist:innen ist Realität nicht immer klar erfassbar
    • Für Rezipierende ergibt sich ein verzerrtes Bild vorherrschender Meinungen
    • Bei Missachtung des Trennungsgebots zudem Erschwerung bei der Rezeption darüber, was „Fakt“ ist und was „Meinung“
  • Ausgewählte Verzerrungen: Visibility Bias
    Spezifische Aspekte werden betont, anderes ignoriert
    • Politiker, Parteien, Verbände, NGOs, Expert:innen, Bürger:innen
    • Themen einer Partei (Issues)
    • Frames und Begrifflichkeiten einer Partei (auch: „instrumentelle Gegebenheiten“)
    ▪ Bewertung
    • Pressemitteilungen als bloße Übernahme sollen als solche kenntlich gemacht sein
    • Besondere Anforderungen im Wahlkampf, „auch über Auffassungen (zu berichten), die (die Presse) selbst nicht teilt“ (Pressekodex, Richtlinie 1.2)
    • Werbung muss von redaktionellen Inhalten klar getrennt sein
  • Ausgewählte Verzerrungen: Visibility Bias
    ▪ Zentrale Probleme
    • Aufweichung der Trennungsnorm Meldung/Meinung
    • Durch mehr Abhängigkeit von Werbung zunehmende Aufweichung der Trennungsnorm Werbung/redaktionelle Inhalte
    • Erschwerte Einordnung für Rezipierende (→ Einführung 2)
  • Wie spiegeln sich Auswahlprozesse in Berichterstattung?
    ▪ Sie führen zu Verzerrungen gegenüber der Realität („biases“)
    ▪ Das ist per se weder „schlecht“ noch „gut“
    ▪ Vielzahl solcher Verzerrungen/Biases, auf unterschiedlichen Ebenen
    • Makro: finanzielle Förderungen, Informationsvorsprung bei Regierungsnähe, etc.
    • Meso: redaktionelle Linie, politische Ausrichtung, Boulevardisierung, etc.
    • Mikro: kognitive Effekte, Vernetzungseffekte, etc.
  • Arten von Verzerrungen (Biases)
    • tonality bias
    • visibility bias
    • media bias
    • political bias
    • gender bias
  • „Die von der aktuellen Ereignislage unabhängige, grundsätzliche politische Tendenz eines Mediums bezeichnet man als redaktionelle Linie (…). Bei manchen Medien ist die redaktionelle Linie stärker ausgeprägt, bei anderen weniger stark. Bei Printmedien wird die redaktionelle Linie vom Verleger oder Herausgeber weitgehend bestimmt und über die alltägliche Sozialisation in der Redaktion an die Redakteure weitervermittelt.“
  • Ausgewählte Verzerrungen: Media Bias
    Redaktionelle Linien als Vorgaben
    ▪ Bewertung
    • Redaktionelle Linien in der Presse sind normativ unproblematisch, so lange insgesamt politische Vielfalt im Pressemarkt herrscht (Außenpluralismus)
    • An den Rundfunk werden strengere Anforderungen an Ausgewogenheit und Vielfalt gerichtet, vor allem an den öffentlich-rechtlichen (Binnenpluralismus)
    • Erneute Bestätigung der schon kennengelernten organisationalen Einflüsse
  • Ausgewählte Verzerrungen: Media Bias
    Zentrale Probleme
    • Ist Rezipierenden bewusst, welche redaktionellen Linien Medien besitzen?
    • Sind Rezipierende sich darüber im Klaren, wie sich redaktionelle Linien konkret in der Berichterstattung auswirken?
    • Halten Rezipierende die Berichterstattung in unkritischer Weise für „wahr“ oder „ausgewogen“, obwohl sie es nicht ist?
  • Ausgewählte Verzerrungen: Political Bias
    Explizites oder implizites Bekenntnis zu einzelnen Parteien
    und damit einhergehende Ausgewogenheit der Berichterstattung
    zugunsten der demokratisch gewählten Parteienlandschaft
    ▪ Bewertung
    • Erneut: In der Presse normativ unproblematisch, im Rundfunk durchaus
    • Erfassbar durch Tenor (→ tonality bias), Thematisierung (→ visibility bias) oder auch Positionierung / Größe / Aufmachung / …
  • Ausgewählte Verzerrungen: Political Bias
    ▪ Zentrale Probleme
    • Erneut: Rezipierende brauchen „Medienkompetenz“ zur entsprechenden Einordnung
    • Fehlende Transparenz über mögliche politische Einflussnahme
    • Rezipierende leiten mitunter Wahlentscheidungen davon ab
  • „Eine einseitige Berichterstattung, die mit der Linie der Kommentare übereinstimmte, bezeichnete Schönbach als Synchronisation. Nachricht und Meinung werden hier insofern vermischt, als nicht die Kommentare die Fakten interpretieren, sondern die Fakten so ausgewählt werden, dass sie die Kommentare bzw. die redaktionelle Linie stützen.“
  • Instrumentelle Aktualisierung und Opportune Zeugen:
    „Instrumentelle Aktualisierung bedeutet das Hoch- oder Herunterspielen von Ereignissen bzw. Meldungen, die einen inhärenten Wertgehalt besitzen (z.B. Erfolge oder Misserfolge) und mit dem Gegenstand eines publizistischen Konfliktes in einem objektiven oder subjektiv wahrgenommenen Zusammenhang stehen.“
  • Instrumentelle Aktualisierung und Opportune Zeugen:
    „(…) Synchronisation [kann] auch dadurch zustande kommen, dass Journalisten in ihren Beiträgen v.a. ‚opportune Zeugen‘ zitieren, d.h. Gruppen und Personen zu Wort kommen lassen, die im Sinne der redaktionellen Linie argumentieren.“
  • Ausgewählte Verzerrungen: Age und Gender Biases
    Verzerrte Darstellung von Geschlechter- oder Altersverhältnissen
    ▪ Bewertung
    • Diffizile Unterscheidung in Ämter- und Geschlechterverhältnis
    • Für journalistische Berichterstattung „interessante“ (i.S.v. berufstätige) Kohorte kontrastiert ausgewogene Altersverhältnisse
    • Erneute Fokus auf öff.-rechtl. Auftrag zur Beteiligung aller Bevölkerungsgruppen
  • Ausgewählte Verzerrungen: Age und Gender Biases
    ▪ Zentrale Probleme
    • Keine umfängliche Informationslage, wenn z.B. nur Männer befragt werden
    • In bestimmten Feldern (z.B. Wissenschaft) Wettbewerbsverzerrung
    • Falsche Realitätseindrücke mit besonderer Wirkung auf Kinder
    • Verzerrte Wahrnehmung
  • Veränderungen:
    ▪ Veränderte Bedingungen der Produktion aktueller Berichterstattung
    • Angebotsdifferenzierung, Auflagen- und Reichweitenverluste
    • Ökonomisierung und gewachsener Konkurrenzdruck
    • Beschleunigung und Zeitdruck
    • Sinkendes Vertrauen und abnehmende Nutzung in manchen Milieus
  • Veränderungen:
    ▪ Mögliche journalistische Reaktionen
    • Veränderung der Berichterstattung in Richtung von Merkmalen, die höhere Aufmerksamkeit, größere Zustimmung, höhere Glaubwürdigkeit versprechen
    • Antizipation von Publikumsreaktionen wirkt auf Publikationsentscheidungen
  • Veränderungen:
    ▪ Wandel der Wahrnehmung
    • Wandel der Wahrnehmung von Gesellschaft (Politik, Wirtschaft, etc.)
    • Anpassung von Akteuren an die veränderte „Medienlogik“
    • Veränderung von Medienkompetenz
  • Langfristige Veränderungen in der Berichterstattung
    Boulevardisierung
    • Entpolitisierung, Zunahme von Unterhaltung, Annäherung der Berichterstattung anderer Medien an Stil von Boulevard (Donsbach & Büttner 2005)
    • Folge der Diskussion um die „Konvergenzthese“ seit Dualisierung des Rundfunks
    • Insgesamt gemischte Befunde, etwa zu mehr und mitunter flacherer Unterhaltung vis-à-vis qualitativ hochwertiger Angleichung von Nachrichtenformaten
  • Langfristige Veränderungen in der Berichterstattung
    Negativismus
    • Erhöhter Anteil negativer Ereignisse, generell immer negativere Darstellung der Welt, Fokus auf „schlechte“ und „negative“ Ereignisse und Krisen
    • Mögliche Folge journalistischer Selbstverständnisse (u.A. Kontrolle) und Erfahrungen („negativity sells“)
    • Mögliche Folge kognitiver Bevorzugung negativer Informationen („negativity bias“)
    • Auch hier gemischte Befunde, etwa zu mehr Aufmerksamkeit und Mobilisierung vis-à-vis Steigerung von Ängsten, Zynismus, Misstrauen und Politikverdrossenheit