5. Antike Kosmologie und frühe Trigonometrie

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  • • Aristotelischer Kosmos
    o bestand aus naturphilosophischen Gründen aus konzentrischen, kristallinen Sphären von gewisser Breite, die ohne Zwischenräume aneinander anschlossen
    o wirkt bis ins späte Mittelalter/frühe Neuzeit
  • • Bedeutung von Ptolemäus
    o Gesamte mittelalterliche Astronomie (byzantinisch, islamisch, westlich) bezog sich auf Ptolemäus‘ Arbeit
    o Änderte sich erst durch Erfindung des Teleskops und Newtonsche Mechanik
  • Claudius Ptolemäus lebte etwa 100 bis 178 und ist vor allem durch seine Werke bekannt.
  • Die Datierung von Claudius Ptolemäus' Werken erfolgt durch enthaltene astronomische Beobachtungsdaten, für das Almagest wird das früheste Werk von P. um 124 bis 141 datiert.
  • Claudius Ptolemäus' Hauptwerke umfassen: Almagest (Kosmologie, Astronomie, Planetentheorie), Geografie (Zusammenstellung der geographischen Koordinaten der damals bekannten römischen Welt), Tetrabiblos (Astrologie, Interpretation der Astronomie als Omina), Musiktheorie, Optik (Vorläufer des heutigen Brechungsgesetzes in Form von Tabellen mit Brechungswinkeln in verschiedenen Materialien).
  • Alexandria zur Zeit von Ptolemäus
    o Wichtiges wissenschaftliches Zentrum der hellenistischen Welt
    o Berühmte Bibliothek war nach einem ersten Brand 48 v. Chr. nach einem Angriff durch Julius Caesar wieder aufgestockt worden
    o Alles handschriftlich auf Papyrus
    o Ptolemäus konnte Himmelsereignisse der Vergangenheit dort nachschlagen
  • • Ptolemäus‘ Almagest
    o Zum ersten Mal in der Geschichte wird gezeigt, wie spezifische Beobachtungsdaten in numerische Parameter für ein Modell der Planetenbewegung konvertiert werden und wie damit Tabellen berechnet werden können, mit denen die Positionen der Sonne, des Mondes und der Planeten sowie deren Eklipsen für einen beliebigen zukünftigen Zeitpunkt berechnet werden können
    o Zeigt dadurch, dass komplexe Naturphänomene durch relativ einfache zugrundeliegende Regularitäten mathematisch so beschrieben werden können, dass sie spezifische quantitative Vorhersagen erlauben
  • Sehnentafel
    o Enthält die Länge der Sehne zum Mittelpunktswinkel im
    Einheitskreis in Schritten von einem halben Grad, Länge der
    Sehnen im Sexagesimalsystem, wobei die Ziffern mit dem
    griechischen Alphabet geschrieben sind
    o Sehnentafel ist äquivalent zur Sinustabelle, da
    sin(α) = 0,5 chord(β), d.h. der Sinus über einem Winkel ist gleich der halben Sehne über dem doppelten Winkel
    o Aufgabe: Bestimme die Sehne für den Winkel 6° 37‘
    ▪ Berechnung der Sehne durch Interpolation
    ▪ Umrechnung für Einheitskreis ins Dezimalsystem liefert 0,11541728
    ▪ Taschenrechner über Sinus liefert 0,11541846
  • Rechnung Sehnen
  • Wie hat Ptolemäus die Sehnen berechnet?
    o Konstruktion regelmäßiger n-Ecke liefert Startwerte (10-Eck aus Fünfeck)
  • Sehne über Komplement / Differenz zweier Winkel
  • Sehne über Summe zweier Winkel/halbe Winkel
  • Ptolemäus‘ Klassifikation des Wissens (aus Vorwort des Almagest)
  • Ptolemäischer Sternenkatalog
    o Aufgelistet sind 1028 Sterne der Größenklassen 1 – 6 (magnitudo, Helligkeit) in ekliptischen Koordinaten (longitudo, latitudo)
    o Nach Sternenbildern geordnet und beschrieben
    o Probleme bei der modernen Interpretation des ptolemäischen Sternekatalogs in Bezug auf heutige Sternekarten
    ▪ Ist 2000 Jahre her => Veränderungen
    ▪ Beschreibungen und Zurückrechnungen oft nicht eindeutig
    ▪ Deshalb häufig nicht eindeutig, welchen heutigen Sternen die beschriebenen entsprechen
  • Himmelsdynamik und kosmologische Modelle
    o Ptolemäus wollte Bewegungen der Himmelskörper beschreiben
    o Grundlage für die Ausbildung kosmologischer Modelle war die Beobachtung der Bewegungen der Himmelskörper
  • Drei überlagerte Bewegungen
    ▪ Täglich: durch Rotation der Erde um ihre Achse (Polarstern bleibt ungefähr gleich)
    ▪ Jährlich: durch Rotation der Erde um die Sonne (alle Planeten ungefähr in der gleichen Ebene)
    ▪ Alle 25.800 Jahre: Kreiselbewegung der Erdachse um einen Kegel (Präzession der Aequinoktien)
    • Himmelsnordpol wandert und war nicht immer nahe dem Polarstern
    • Verschiebung des Tierkreises
    • In 76 Jahren ungefähr eine Drehung um 1°
    • Durch Gravitationsfeld der Sonne
  • Sphärische Himmelskoordinatensysteme
    o Beschreibung einer Position durch zwei Winkel
    o Allgemein: Großkreis mit Umlaufrichtung, Pol (P), Nullpunkt (Z)
    o Horizontsystem: Beobachter im Ursprung, Bezugsebene ist Horizont, Angabe von Azimuth (Winkel zwischen Nordpunkt des Meridian SZN und Objekt im Uhrzeigersinn) und Höhe
    en
  • o Äquatorialsystem: Bezugsebene ist Himmelsäquator, Himmelsnordpol, Bezugspunkt ist Frühlingspunkt, Winkel sind Rektaszension und Deklination
    o Ekliptische Koordinaten: Bezugsebene ist Ekliptik, Pol der Ekliptik, Bezugspunkt ist Frühlingspunkt, Winkel sind Längen- und Breitengrade
    o Lassen sich alle ineinander umrechnen und hängen zusammen
  • • Sonnensystem
    o Merkur, Venus, Erde (mit Mond), Mars, Jupiter (4 Monde 1610 durch Galilei entdeckt), Saturn (mit Ringen), Uranus (1781 durch Herschel entdeckt), Neptun (entdeckt 1846), Pluto (Entdeckung 1930, Aberkennung Planetenstatus 2006, Drittel der Größe des Erdmondes, sehr exzentrische Bahn)
  • • Quantitative Theorie der Planetenbewegungen
    o Herausforderung: erkläre die vorhersagbare, reguläre Bewegung der Himmelskörper
    o Astrologischer Kontext (diagnostische und therapeutische Implikationen in der Medizin)
    o Astronomische Daten schon von den Babyloniern, zurückgehend bis 700 v. Chr.
  • • Retrograde (rückläufige) Bewegung der Planeten allgemein
    o überlagert über die nächtliche Rotationsbewegung findet man eine Bewegung der Sonne, des Mondes und der Planeten (“Wandelsterne”)
    o retrograde Bewegung immer dann, wenn die Erde zwischen Planet und Sonne steht
    o Erklärung für einen äußeren Planeten nach der heliozentrischen Theorie (Abb. rechts)
  • Marsbewegung
    o Bewegt sich über mehrere Monate ostwärts gegen die Tierzeichen der Ekliptik dann verlangsamt er seine
    Bewegung, wird heller, kehrt um, bewegt sich westwärts für einige Wochen, kehrt
    wieder um, wird wieder lichtschwächer und nimmt dann seine ostwärts gerichtete Bewegung wieder auf
    o Dieser Zyklus wiederholt sich etwa alle 26 Monate
    o Mars bewegt sich in 79 Jahren genau 42-mal durch den Tierkreis (ein Marsjahr dauert 687 Tage, d.h. 1.9 Jahre)
    o Bahngeschwindigkeit ist ungleichförmig, d.h. Mars scheint sich 40% schneller im Sternbild Steinbock als im Sternbild Krebs zu bewegen
  • Aristotelischer Kosmos und Epizykelmodell im Konflikt
    o ging Ptolemäus darum, quantitative Vorhersagen über die Bewegungen der Planeten und der Sonne zu machen
    o zugrunde gelegte Modellmechanismen, die es erlaubten beobachtbare Konsequenzen zu ziehen, zunehmend im Widerspruch zu den naturphilosophischen Grundannahmen des ptolemäischen Weltbildes
    o insbesondere Einführung des Aequanten stand im Widerspruch zur aristotelischen Natur- und Raumauffassung
    o bestand also ein Konflikt zwischen Kosmologie (Weltbild) und Astronomie
  • Diophant (Folie 374 – 380)
    • allgemein
    o Über Diophant als Person (oder Personengruppe) ist fast nichts bekannt
    o Lebte zwischen 150 v.Chr. und 415 n.Chr. (!!!)
    o Von mehreren Werken nur zwei überliefert: Arithmetica und eine Abhandlung über Polygonalzahlen
    o Die Arithmetica ist nur fragmentarisch überliefert in sechs griechischen Büchern. 1978 wurden weitere Bücher in arabischer Übersetzung gefunden, die das Bild der überlieferten Arithmetica ergänzten
  • Diophants Arithmetica
    o Sehr einflussreiches Werk, sowohl in der byzantinisch-arabischen Tradition als auch später nach der Widerentdeckung in der Renaissance
    o Im 17. Jahrhundert schrieb Pierre Fermat in sein Exemplar der Arithmetica neben dem 8. Problem des Buches als Bemerkung die Fermatsche Vermutung, die erst 1995, 350 Jahre später, von Andrew Wiles bewiesen
    o Im ersten Buch behandelt Diophant Probleme, die Gleichungen entsprechen, die nur eine positive Lösung haben, z.B. ax = b oder ax^2 = b
  • Artithmetica II
    o In den Büchern 2 bis 4 gibt es unbestimmte Probleme, die mehr als eine Lösung gestatten; Diophant sucht aber immer nur eine einzige, die positiv rational ist
    o Heute bezeichnet man als diophantische Gleichungen solche, bei denen ganzzahlige Lösungen gesucht werden
    o 189 Probleme mit mehr als 50 verschiedenen Aufgabentypen
    o Beispiel: gegebene Zahl als Summe von zwei Würfeln ausdrücken, so dass die Summe der Seiten eine gegebene Zahl ist, Bsp: 370 = 343 + 27; 10 = 7+3
  • Beispiel: gegebenes Quadrat in zwei Quadrate zerlegen
    x2+x^2 +y2= y^2 =16,setze;y= 16, setze; y =mx4;mit;m= mx – 4 ;mit ;m =2, 2,
    dann auflösen
    ▪ für jede Wahl von m erhält man eine neue Lösung
    o Diophant entwickelt dabei eine Theorie der Gleichungen und führt auch eine erste symbolische Notation ein, es ist aber noch keine vollständig systematisierte Theorie
  • Symbolische Notation in der Arithmetica
  • Ende der alexandrinischen Tradition und Frauen in der antiken Mathematik (Folie 381 – 384)
    • Spätantike Autoren sind in erster Linie Kommentatoren früherer Werke
    • Theon von Alexandria (ca. 335-405) war möglicherweise eines der letzten Mitglieder des Museions
    • er schrieb mehrere Kommentare zu den Werken Euklids und Ptolemäus und ist vor allem wichtig wegen seiner Edition der Elemente Euklids. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war seine Edition die einzige erhaltene vollständige Ausgabe in griechischer Sprache
  • seine Tochter Hypatia ist die einzige Frau der antiken griechischen Welt, über deren Leben einige Details überliefert sind
    o wurde zunächst von ihrem Vater Theon in Mathematik unterrichtet, und dehnte dann später ihre Studien weiter auf Philosophie, Astronomie und Musik aus
    o versammelte Kreis von Schülern um sich
    o bekannt für Vorträge über Platon und Aristoteles
    o schrieb Kommentare zu Ptolemäus und Diophant und vertrat neoplatonistische Philosophie
    o keine primären Quellen, sekundäre auch fragmentiert und schwer zu interpretieren
    o wurde von christlichen Fanatikern brutal ermordet
  • Pappos und Pandrosion
    o Einzige Information über Padrosion stammt aus einer Passage in Pappos‘ Collectiones, wo er sie polemisch kritisiert
    o Pandrosion ist bekannt für Verfahren zur Berechnung von Kubikwurzeln, vielleicht war Pappos ihr Konkurrent und redet deshalb schlecht über sie
    o Hypatia war also nicht die einzige, man weiß von mindestens 3 oder 4 Frauen, die zu dieser Zeit in Alexandria tätig waren
    o Aber eben sehr schwierige Quellenlage