Armut

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  • Absolute Armut = Leben am physischen Existenzminimum; Gefährdung des Überlebens
  • Relative Armut = Mangelnde Möglichkeiten der Teilhabe am Lebensstandard eines Landes (soziokulturelles Existenzminimum)
  • Messung relativer Armut
    Ansatz politisch definierter Armut
    • Auf Basis amtlicher Bedürftigkeitsprüfungen erhalten Personen Leistungen der sozialen Grundsicherung (z.B. Sozialhilfe, ALG II).
    • Armutsgrenze: Experten ermitteln, welche Güter und Dienstleistungen lebensnotwendig sind („Warenkorbmodell“; DE bis 1990)
    • Vorteile- Datenverfügbarkeit
    • Nachteile- Bekämpfte Armut: Leistungsempfänger sind gerade wegen der finanziellen Transfers nicht mehr „arm“; Dunkelziffer: „verdeckte Armut“; Validität von Expertenurteilen
  • Messung relativer Armut
    Ressourcenansatz: Einkommensarmut
    • Ansatzpunkt ist die Ausstattung mit monetären Ressourcen 
    • Operationalisierung kann über Brutto- oder Nettoeinkommen erfolgen und am Individuum oder Haushalt („Bedarfsgemeinschaft“) ansetzen.
    • Armutsrisikogrenze wird nach dem „Statistikmodell“ bei 60% des Median Nettoäquivalenzeinkommens festgelegt (EU-Konvention seit 2001)
  • Messung relativer Armut
    Ressourcenansatz: Einkommensarmut
    • Vorteile- Leichte Messbarkeit & gute Vergleichbarkeit; Klarer Ansatzpunkt für Sozialpolitik; Analoge Messung von Reichtum möglich (>200%)
    • Nachteile- Indirekte Armutskonzeption erfasst nicht die tatsächliche Mangellage; Vermögen unberücksichtigt; Nichtmonetäre Bedarfe werden ausgeblendet; Problem der Äquivalenzgewichtung
  • Messung relativer Armut
    Lebensstandardansatz: Deprivationsarmut
    • Erhebung der Teilhabe an finanziell voraussetzungsvollen Gütern und Aktivitäten, die zum Lebensstandard gehören
    • Befragungsmodell: Nur solche Güter und Aktivitäten sind relevant, die ein hoher Bevölkerungsanteil als notwendig erachtet
    • Deprivationsindex misst mangelnde Teilhabe an Gütern und Aktivitäten, gewichtet mit Anteil der alters- und bildungsgleichen Bevölkerung, die diese für lebensnotwendig hält
  • Messung relativer Armut
    Lebensstandardansatz: Deprivationsarmut
    • Vorteile- Mangellage wird direkt erfasst und mit Bevölkerungsurteilen gewichtet
    • Nachteile- Aufwändige Erhebung; Schwierige Vergleichbarkeit über Raum und Zeit; Problem der Bestimmung der Armutsgrenze; Abhängigkeit der Urteile vom eigenen Lebensstandard
  • Messung relativer Armut
    Lebenslagenansatz
    • Ansatzpunkt sind die Handlungsspielräume, die Personen aufgrund der Ressourcen und Opportunitäten ihrer Lebenslage haben
    • Multidimensionale Erfassung von Lagen: z.B. Einkommen, Beschäftigung, Bildung, Wohnen, Gesundheit
    • Schwellenwerte der Unterversorgung für jede Dimension
  • Messung relativer Armut
    Lebenslagenansatz
    • Vorteile- Noch breitere Einbeziehung nichtmonetärer & immaterieller Bedarfe; Ermittlung bereichsspezifischer Bedarfslagen
    • Nachteile- Handlungsspielräume i.d.R. über Ressourcen erfasst; Aufwändige Erhebung; Problem der Gewichtung der Lageindikatoren; Kein dimensionsübergreifendes Armutsmaß; Problem der Bestimmung der Armutsgrenze
  • Armutsquote = Anteil der Bevölkerung unter der Armutsrisikogrenze (<60% des Medianeink.) DE 2022 (EU-SILC): 14,7% → Armutsgrenze: 15.000 €/Jahr
  • Risikogruppen:
    • Arbeitslose
    • Personen mit niedriger Bildung und ohne berufliche Qualifikation → Enger Bezug zur Klassenstruktur
    • Kinderreiche Familien sowie Alleinerziehende→ Kinderarmut
    • Personen mit Migrationshintergrund
    • Ost-West- und Nord-Süd-Gefälle
  • Wandel der Armut
    • 1960-2010: U-förmiger Verlauf der Armutsquote, seit 2010 nur noch sehr geringer weiterer Anstieg
    • 1970er: Von (weiblicher) Altersarmut zu Armut durch Arbeitslosigkeit
    • 2000er: Ausweitung zu „in work poverty“ (8-9% der Erwerbstätigen) in Folge prekärer Beschäftigung und erhöhter Scheidungsrate
    • Für viele Menschen ist Armut ein temporärer Zustand; für einige ergibt sich dauerhaft verfestigte Armut
  • Messung absoluter Armut
    Ansatz der Weltbank
    • Armutsmessung bevorzugt anhand von Konsumausgaben statt Einkommendirekte Erfassung von Mangel; Problem informeller Arbeit
    • International gebräuchliche Armutsgrenze („extreme Armut“) seit 2017: 2.15 $/Tag
    • Der Anteil der Bevölkerung in absoluter Armut ist weltweit seit 1981 von 43.6% auf 8.5% (2019) zurückgegangen: Starker Rückgang in Ostasien (v.a. China) und in Südasien (v.a. Indien); Nur leichter Rückgang auf hohem Niveau in Subsahara-Afrika