Medienrezeption

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  • Definition:
    • Beschreibt den konkreten, situativen Vorgang der Mediennutzung
    • Was empfinden Personen im Moment der Nutzung?
    • Welche Haltungen nehmen sie bei der Nutzung ein?
    • Welche Bedingungen beeinflussen den Nutzungsvorgang?
    • Nicht: Vorbedingungen oder mittel- und langfristige Konsequenzen
  • Kognitive Reaktionen:
    Informationsverarbeitung
    • “extent to which media users selectively attend to and invest cognitive effort to comprehend media content”
  • Affektive Reaktionen:
    Gefühle dabei
    • „all affective valenced reactions
    to media content“ (S. 228),
    ebenso wie die affektive Seite
    von Empathie oder Mitgefühl
    mit dem Schicksal/der
    Geschichte der Charaktere
  • Physiologische Reaktionen:
    körperliche Reaktionen
    • „degree of physiological arousal (i.e., the activation of the sympathetic nervous system) in response to media
  • Was ist Aufmerksamkeit?
    • Beschreibt die Intensität der Zuwendung zu einem Medium
    • Mögliche Operationalisierungen
    • Dauer der Nutzung
    • Intensität und Konzentration
    • Psychophysiologische Aktivität (Herzrate, Hautleitfähigkeit)
    • Verhaltensdaten wie Blickbewegungen oder Körpersprache
    • Genaue Messung von Aufmerksamkeit schwierig
    • Analyse der reinen Nutzungszeit nicht alleinentscheidend (Stichwort: Screentime)
    • Selbstbericht häufig notwendig
  • Aufmerksamkeit als Moderator: Je nach Aufmerksamkeit hat Nutzung andere Wirkung
  • Ausgangslage:
    • Menschen haben beschränkte Aufnahmekapazität
    • Ähnlich einem Computer gibt es eine Art Arbeitsspeicher
    • Hier werden Informationen simultan gehalten und
    verarbeitet
    • Auslastung wird gemessen über Cognitive Load
    Medienformate wiederum haben unterschiedliche
    Komplexität
    • Je mehr und vielgestaltigere Informationen, umso
    komplexer
    • Je höher Komplexität, umso höher Cognitive Load
    • Wenn Cognitive Load die Kapazität überschreitet, entsteht Überforderung
  • Komplexität von Medieninhalten: Bottom-up-Perspektive
    • Medieninhalte haben unterschiedliche
    Komplexität
    • Komplexität eines Textes bspw.
    abhängig von:
    • Wortgebräuchlichkeit
    • Sprache
    • Wortlänge
    • Satzlänge
    • Satzkomplexität
  • Komplexität von Medieninhalten: Top-down-Perspektive
    • Je mehr Vorwissen Personen haben, umso mehr werden verschiedene Informationen zu Chunks zusammengefasst
    Ermöglicht, komplexere Aufgaben zu
    bewältigen
    • Beispiel: Zeitungslesen
    • Anfangs kennt man Politiker:innen und Themen nicht, muss sich erst einlesen
    • Ebenso meist komplexere Sprache
    • Im Laufe der Zeit wird Lesen einfacher und verständlicher, Sachverhalte werden als Ganze erfasst
  • Limited Capacity Model (Lang, 2000)
    • Je komplexer ein Medieninhalt ist, desto höher ist auch die kognitive Belastung (= cognitive load)
    • Überschreitet der cognitive load unsere Kapazität, entsteht Überforderung und wir verstehen den Inhalt nicht ( = Cognitive Overload).
    • Studie von Lee und Faber (2007) testet die Verarbeitung von Markenplatzierungen in Onlinespielen:
  • Kapazität und Komplexität
    Implikationen für Medien:
    Mediengestaltung
    • Reduktion unnötiger Information
    • Fokussierung auf das Wesentliche
    • Aber: Zusatzinfo kann Fokus erleichtern
    • Vorträge
    • Ton- und Bildspur synchron halten
    • Mehrere Inhalte auf verschiedene Seiten aufteilen
    • Medienrezeption
    • Einlesen, Repetition und Wissen erleichtern Aufnahme
  • Automatische vs. Kontrollierte Verarbeitung
    Informationsverarbeitung: Schematische Darstellung
  • Informationsverarbeitung: Reiz-Reaktions-Muster
  • Kognitive Prozesse: Informationsverarbeitung
    Assoziative Schemata
    Kognitive Struktur, die unterschiedliche Konzepte (Begriffe) und ihre Verknüpfungen umfassen
    • = Bündelung von Wissen und hinzukommenden Informationen (in „Schubladen“)
    • Sind untereinander durch ein Assoziationsnetzwerk miteinander verbunden
    Skripte
    Spezifisches Schema: Typische Ereignisabfolge in spezifischen Situationen
  • Assoziative Schemata und Skripte
    • Funktionen
    • Entlastung
    • Strukturierung
    • Ergänzung
    • Prozesse
    • Verstehensprozesse: Neue Informationen werden passenden Schemata zugeordnet
    • Reduktionsprozesse: Zusammenfassung von Einzelinformationen und -beobachtungen zu übergeordneten Strukturen
    • Aufmerksamkeitsprozesse: Selektion von Informationen/Beobachtungen anhand ihrer Zentralität im Schema
  • Informationsverarbeitung: Assoziative Schemata und Skripte
    • Vergleich mit Erinnerungen und Erfahrungen
    • Reflektionen aber auch möglich, nur mit „Anstrengung“
  • Kognitive Prozesse: Automatische und Kontrollierte Verarbeitung
    • Automatische Verarbeitung: Grundlage sind angeborene und erlernte Reiz-Reaktions-Muster, assoziative Schemata und Skripts. Diese kognitiven Strukturen ermöglichen schnelle, spontane und unreflektierte Situationseinschätzungen und Reaktionen.
    • Automatische Verarbeitung findet immer statt, kontrollierte Verarbeitung nur bei entsprechender Motivation.
  • Kognitive Prozesse: Automatische und Kontrollierte Verarbeitung
    Kontrollierte Verarbeitung:
    Ergebnisse der assoziativen Verarbeitung können nachträglich reflektiert und überprüft werden. Dies erfordert Aufmerksamkeit, Fähigkeit und Motivation und nimmt mehr Zeit in Anspruch.
  • Kognitive Prozesse
    Persuasion
    “We use the term persuasion to refer to any instance in which an active attempt is made to change a person’s mind” (Petty & Cacioppo, 1996: S. 4)
    • Changing a person’s mind: Aktiver, in der Regel bewusster Versuch der Einstellungsänderung
    Intentionalität des Kommunikators: Nicht einfach zu erfassen, daher werden häufig auch nicht-intentionale einstellungsbezogene Wirkungen berücksichtigt
    • Muss nicht zwangsläufig eine (sichtbare) Person sein, gilt für sämtliche Botschaften: Filme, Artikel, Bücher, etc.
  • Kognitive Prozesse
    Einstellung
    • Zeitlich relativ stabile Bereitschaft , in positiver oder negativer Weise auf eine bestimmte Klasse von Objekten (Person, Sache, Idee, Ereignis, Institutionen) zu reagieren
    Affektive Dimension: Emotionen, Ab- und Zuneigung
    Kognitive Dimension: Meinungen
    Konative Dimension: Handlungen und Handlungsabsichten
  • Was ist „Einstellungsänderung“ ?
    • Verschiedene Aspekte können eine „Veränderung“ ausdrücken
    • Verstärkung
    • Konversion
    • Aktivierung (etwas wird in einer bestimmten Situation relevanter)
    • Deaktivierung (bzw. irrelevanter)
  • Informationsverarbeitung und persuasive Kommunikation
    Elaboration Likelihood-Modell (ELM):
    • Gehört zu den Zwei-Prozess-Modellen
    • Sieht zwei Modi der Informationsverarbeitung vor:
    • Zentrale Verarbeitung (eher explizit, eher bewusst) z.B.: Orientierung an Argumenten, Passung zu eigenen Wissensstrukturen
    • Periphere Verarbeitung (eher implizit, eher unbewusst) z.B.: Orientierung an Quellenglaubwürdigkeit, Gestaltung der Botschaft
  • Informationsverarbeitung und persuasive Kommunikation
    Elaboration Likelihood-Modell (ELM):
    • Verarbeitungsmodus bestimmt durch Motivation und Fähigkeit
    • Hohe Motivation und Fähigkeit → Es werden ausreichend kognitive Ressourcen bereitgestellt → Zentrale Verarbeitung
    • Niedrige Motivation und Fähigkeit → keine ausreichenden kognitiven Ressourcen (cognitive overload)Periphere Verarbeitung
  • Informationsverarbeitung und persuasive Kommunikation
    Elaboration Likelihood-Modell (ELM):
    „Involvement bezieht sich auf die kognitive und emotionale Verbundenheit eines Individuums mit dem gegenwärtig rezipierten Medieninhalt.“ (situative Interaktion zwischen Rezipient:in und Inhalt)
    • Kognitives Involvement: Interesse und Motivation, einen Medieninhalt aufmerksam aufzunehmen und aktiv darüber nachzudenken
  • Elaboration Likelihood-Modell (ELM):
    Merkmale zentrale vs. Periphere Route
  • Wann wird zentrale & periphere Route gewählt?
    Zentrale Route
    • Hohes Involvement, persönliche Betroffenheit
    • Wissensbedürfnis (Need for Cognition)
    • Intelligenz
    • Moderate Wiederholung
    Periphere Route
    • Ablenkung
    • Gehobene Stimmung
    • Hohe Komplexität
  • Kognitive Prozesse
    Diskussion:
    • ELM prominenter Vertreter der Schule der Zwei-Prozess-Theorien
    • Theorie hat Modellcharakter:
    • Verarbeitung nicht wirklich binär, sondern eher kontinuierlich
    • Aber: Alle Modelle sind falsch, manche sind nützlich
    Soziale Anteile der Einstellung und Einstellungsfindung unterschätzt
    • Nicht alle Menschen sind bemüht, Informationen in der Sache offen zu verarbeiten → weitere, unabhängige Dimensionen wie offene vs. geschlossene Verarbeitung
  • Affektive Prozesse
    Emotionen
    • Emotionen sind Resultat von Appraisal (Bewertung, also einem kognitiven Prozess)
    • Menschen haben die Tendenz, Ereignisse in unserer Umwelt kontinuierlich auf ihre Relevanz für ihre Ziele und Bedürfnisse hin zu prüfen, bspw.:
    • Valenz (gut oder schlecht für Verwirklichung unserer Ziele/Bedürfnisse)
    • Kontrollierbarkeit (können wir beeinflussen, was passiert?)
    • Kompatibilität mit Normen
  • Affektive Prozesse
    Emotionen
    • Die neurophysiologische Erregung als Grundlage von Emotion mag per Reiz-Reaktions-Schema ohne Beitrag des kognitiven Apparates entstehen
    • Die spezifische Emotion selbst entsteht aber erst auf Basis kognitiver Bewertungsprozesse
    —> affektive Prozesse sind effektive Prozesse
  • Affektive Prozesse
    Kognitives Involvement:
    Interesse und Motivation, einen Medieninhalt aufmerksam aufzunehmen und aktiv darüber nachzudenken
    → macht zentrale Verarbeitung wahrscheinlicher
    Affektives Involvemen:
    Emotionale Erregtheit bzw. Ergriffenheit
    → erhöht die Aufmerksamkeit; ob auch Bereitschaft zur zentralen Verarbeitung steigt, hängt von der Art der Emotionen und Inhalte ab
  • Kognitive + affektive Prozesse
    Transportation:
    Bezeichnet die nahezu vollständige Absorption von Aufmerksamkeit durch ein Narrativ (eine Erzählung)
    • “We conceptualized transportation into a narrative world as a distinct mental process, an integrative melding of attention, imagery, and feelings.”
    Erschwert Reflektion über Medienbotschaften
    Erleichtert Persuasionseffekte
    —> Fokus komplett auf Medieninhalt
  • Beispielstudie Transportation (Appel & Richter, 2010)
    • 181 Teilnehmer:innen (Altersdurchschnitt: 24 Jahre)
    • Stimulus Experimentalgruppe: Kurzgeschichte, in der ein psychiatrischer Patient einen Mord begeht
    • Stimulus Kontrollgruppe: Kurzgeschichte, die nichts mit psychiatrischen Patient/innen oder Mord zu tun hat
    • Abhängige Variable: Einstellungen zu psychiatrischen Patient/-innen (= Glaube, dass Patienten gefährlich sind)
    • Moderator-Variable: Transportation
  • Beispielstudie Transportation Ergebnis(Appel & Richter, 2010)
    • Durch Transportation (= vollständige Absorption von Aufmerksamkeit durch die Geschichte) stehen keine kognitiven Ressourcen für eine reflektierte Verarbeitung
    des Medieninhalts zur Verfügung.
    • Falschinformationen werden nicht als solche wahrgenommen, Einzelfälle werden generalisiert (auch wenn sie fiktiv sind).
    • → Unterhaltungsmedien können auf diese Weise zu unreflektierten Überzeugungseffekten führen.
  • Fazit Informationsverarbeitung
    Ob und wie Medieninhalte beim Rezipienten/ bei der Rezipientin „ankommen“ hängt nicht nur vom Kontakt mit dem Medium ab, sondern auch von der Art der kognitiven und emotionalen Verarbeitung
    Zwei-Prozess-Modelle der kognitiven Verarbeitung unterscheiden zwischen automatischer (bzw. peripherer, heuristischer) Verarbeitung und kontrollierter (bzw. zentraler, systematischer) Verarbeitung
  • Fazit Informationsverarbeitung
    • Entscheidend für die Art der Verarbeitung ist das Involvement des Rezipienten/der Rezipientin
    • Zu unterscheiden sind kognitives und emotionales Involvement. Emotionales Involvement kann die Informationsverarbeitung fördern oder auch hemmen