Medienwirkung

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  • „Unter Wirkungen der Massenmedien werden im
    Allgemeinen alle Veränderungen verstanden, die ganz,
    partiell oder in Wechselwirkung mit anderen Faktoren auf
    Medien bzw. deren Inhalte zurückgeführt werden können.
    ▪ Damit sind sowohl Phänomene auf der Mikro-Ebene
    (einzelne Rezipient:innen) als auch auf Makro-Ebene
    (Gesellschaft oder Teile davon) gemeint.
    Langfristige und kurzfristige, direkte und vermittelte
    Wirkungen werden ebenso untersucht, wie Wirkungen in
    Form von Veränderungen oder Stabilisierungen. Dabei wird
    den Medien ein kausaler Einfluss zugeschrieben.“
  • „Laien“ beschreiben Medienwirkungen häufig ähnlich wie Modelle starker Medienwirkungen = Allumfassende Wirkungen, die auf jede/n gleich wirken (Stimulus-Response-Modell)
  • Wiederlegen monokausaler Erklärungen von Medienwirkung
    Medieninhaltsforschung: Massenmedien sind omnipräsent aber nicht inhaltlich homogen
    Mediennutzungsforschung: Die Verfügbarkeit von Medienangeboten determiniert nicht ihre
    Nutzung (Nutzung ist Bedingung für Wirkung)
    Medienwirkungsforschung: Über Massenmedien verbreitete Botschaften beeinflussen nicht alle Rezipient:innen gleichermaßen und entsprechend ist der Einfluss häufig nicht im Sinne der Intention der Kommunikator:innen
  • Persönliche Meinung:
    … meint die Einstellung zu einem Gegenstand, die von persönlicher Betroffenheit, Wertvorstellungen, Präferenzen und/oder Gefühlen geprägt ist.
  • Öffentliche Meinung:
    … stellt kumulierte persönliche Meinungen dar, die in einer Gesellschaft öffentlich diskutiert und/oder häufig als repräsentativ bzw. als Mehrheit wahrgenommen/methodisch hergestellt werden.
  • Einstellungen:
    Fokus der Medienwirkungsforschung war früher primär auf Einstellungen
    ▪ Sinn und Zweck von Einstellungen
    • Reduzieren komplexer Information
    • Dienen als Triebfeder für Verhalten
    ▪ Einstellungen nehmen zentrale Rolle im Medienwirkungsmodell ein
  • Zugrundeliegendes Modell:
    ▪ Medien beeinflussen die Einstellungen ihrer
    Rezipient:innen
    • Frage aber, wie stark, wann und unter welchen Bedingungen?
    ▪ Medien beeinflussen Einstellungen nicht direkt, sondern
    vermittelt über Inhalte
    • Implizit über Verhalten dargestellter Akteure
    • Explizit über Ideen und Botschaften, die vermittelt werden
    ▪ Wichtig: Dies könnte auch über andere Kanäle
    geschehen
    • Mund-zu-Mund, Freunde, eigene Erfahrungen, Selbsterkenntnis
    ▪ Aber: Medien haben gewisse typische Inhalte im
    Vergleich zu anderen Kanälen
  • Messung von Einstellungen:
    • Semantisches Differential
    -> Verbindung von Begriffen mit kontrastierenden Adjektiven
    • Likert-Skala
  • Einstellungserwerb und -änderung:
    ▪ Einstellungen werden zuerst erworben
    ->Hier gelten vor allem Lerntheorien
    ▪Anschließend können diese „verändert“ werden
    ->Hier gelten vor allem Persuasionstheorien
  • Medien und Einstellungsänderung:
    Ausgangslage
    ▪ Medienkonsum hat meist nur geringen Einfluss auf Einstellungen
    ▪ Viele (nicht alle) Einstellungen sind durchaus robust
    ▪ Aber: Es muss nicht immer gleich Einstellungsumkehrung sein
    ▪ Auch kleine Veränderungen sind politisch und gesellschaftlich relevant
  • “We use the term persuasion to refer to any instance in which an active attempt is made to change a person’s mind (Petty & Cacioppo”.
  • ▪ “Einstellungen sind Bewertungen einer beliebigen Entität” (Bonfadelli & Friemel, 2020, S. 122)
    ▪ Einstellung: zeitlich relativ stabile Bereitschaft , in positiver oder negativer Weise auf eine bestimmte Klasse von Objekten (Person, Sache, Idee, Ereignis, Institutionen) zu reagieren
    • affektive Dimension
    • kognitive Dimension
    • konative Dimension (Verhalten)
  • Woran erkennen Menschen ihre Einstellungen?
    Affekt
    • Fühlt es sich gut an?
    • Bereitet mir der Gedanke Unbehagen?
    Kognition
    • Wie bewerte ich etwas?
    • Wie schätze ich Risiken und Nutzen ein?
    Verhalten
    • Selbstbeobachtung: Wie habe ich mich in der Vergangenheit diesbzgl. verhalten?
    • Annahme: Wenn ich etwas tue, dann muss ich es ja auch mögen!
  • Yale Studies:
    • Grundmodell: Bedingungen der Wirkung persuasiver Kommunikation
  • Yale Studies
    Eigenschaften des Kommunikators:
    Glaubwürdigkeit, beruhend auf zwei Dimensionen
    Vertrauenswürdigkeit
    Expertise
  • Yale Studies
    Eigenschaften des Kommunikators:
    ▪ Von einer als unglaubwürdig eingestuften Quelle
    kommende Kommunikation wird eher als unfair und verzerrt wahrgenommen
  • Yale Studies
    Eigenschaften des Kommunikators:
    Glaubwürdige Kommunikatoren sind kurzfristig
    effektiver als unglaubwürdige Kommunikatoren
    • Diese größere Effektivität ist nicht die Folge erhöhter Aufmerksamkeit oder besseren Verständnisses; die Glaubwürdigkeit scheint vielmehr die „kurzfristige“ Bereitschaft zu erhöhen, die Argumente anzunehmen
    • Der Vorteil glaubwürdiger Kommunikatoren verliert sich mit der Zeit (Sleeper Effect und Forgetting Effect)
  • Yale Studies
    Sleeper Effect/Forgetting Effect:
    Quelle einer Botschaft wird mit der Zeit vergessen.
    ▪ Botschaften aus glaubwürdigen Quellen verlieren an Wirkung (Forgetting Effect)
    ▪ Botschaften aus unglaubwürdigen Quellen gewinnen an Wirkung (Sleeper Effect)
  • Yale Studies
    ▪ Sleeper Effect/Forgetting Effect
    ▪ Methodische Kritik:
    Möglicherweise beschäftigen sich die Proband:innen zwischen den Befragungen gezielt mit den Themen und nähern sich dadurch einander an.
    ▪ Existenz der beiden Effekte ist bis heute umstritten
  • Eigenschaften des Kommunikators:
    Wahrgenommene persuasive/manipulative Intention
    schwächt Wirkung
    -> Es sei denn: Die Botschaft widerspricht der dem Kommunikator unterstellten Intention (bspw. Ein Krimineller, der für schärfere Strafen plädiert)
    Physische Attraktivität des Kommunikators stärkt Wirkung
    Macht des Kommunikators stärkt Wirkung
    Soziale Attraktivität: Wahrgenommene Ähnlichkeit zwischen
    Kommunikator und Rezipient:in UND Gefälligkeit (Likability)
    stärken Wirkung
    ▪ Wahrgenommene Übereinstimmung der Meinungen des
    Kommunikators mit Rezipient:in anderen Themenbereichen
  • Eigenschaften der Botschaft:
    ▪ Berücksichtigung von Gegenargumenten
    • Sinnvoll bei Rezipient:innen mit höherer Bildung und mit gegenläufiger Meinung
    • Nicht sinnvoll bei Rezipient:innen mit niedrigerer Bildung und gleichgerichteter Meinung
    ▪ Die Berücksichtigung von Gegenargumenten
    immunisiert gegen deren Verwendung durch den „Gegner“
    ▪ Wichtig ist:
    Gegenargumente müssen auch entkräftet werden
  • Eigenschaften der Botschaft
    Furchtappelle (sind bspw. in der Gesundheitskommunikation sehr relevant)
    ▪ wirken wenn:
    • Appell nicht zu stark, sonst entsteht Reaktanz (= Boomerang-Effekt)
    • Schwache Appelle bei Versuchen der Verhaltensänderung
    • Stärkere Appelle bei Versuchen der Verhaltensverhinderung
    • Je ängstlicher Rezipient:innen sind, desto wirksamer sind Furchtappelle
  • Eigenschaften der Botschaft
    Narrativität (erzählende Darstellungen) steigert Wirkung, weil
    • Lenkt Aufmerksamkeit und Involvement auf die narrativ dargebotene Medienbotschaft (vgl. Narrative Persuasion)
    • Lässt positive, hedonistische Grundstimmung entstehen
    • Fördert so unkritische Rezeptionsweise
    • (siehe auch Narrative Persuasion)
  • Eigenschaften der Rezipient:innen
    ▪ Lern- und Kritikfähigkeit
    • Leichter überzeugbar durch rationale Argumente
    • Weniger leicht überzeugbar durch verkürzte/falsche Argumente
    Niedriger Selbstwert
    • Allgemein höhere Überzeugbarkeit
    ▪ Stimmung
    • Negative Stimmung: Überzeugbarer durch Argumente
    • Positive Stimmung: Überzeugbarer durch periphere Reize (z.B. Quellenattraktivität)
    ▪ Rezeptionsmotive
    • z.B. Hedonistische Medienzuwendung führt eher zu Persuasionseffekten
    • z.B. Medienzuwendung aus Informationsmotiv: geringere Persuasionseffekte
  • Ohne Persuasion keine Medienwirkung?
    ▪ Persuasion ist an so viele Rahmenbedingungen
    geknüpft, dass die Überzeugung eines Rezipient:in von
    einer Einstellung, die er/sie nicht schon vorher hatte,
    als die Ausnahme erscheint
    ▪ Massenmedien können nur vorhandene Einstellungen
    verstärken (Verstärkerhypothese)
    ▪ Aber: Müssen Massenmedien wirklich Einstellungen
    verändern, um Wirk-„Macht“ zu haben?
    ▪ Wirkungen auf Realitätswahrnehmung, Themenrelevanz, Wissen
  • Ausgangslage: Informationsreduktion
    ▪ Medien können nicht über alle Themen und
    Ereignisse berichten
    ▪ Es muss eine Auswahl getroffen werden
    ▪ Diese Auswahl wird beeinflusst von verschiedenen Faktoren
    • Absicht
    • Nachfrage
    • Agenda der Stakeholder
  • Agenda Setting
    ▪ „The media may not be successful in telling people what to think, but they are stunningly successful in telling them what to think about” (McCombs & Reynolds, 2009, S. 2)
    ▪ Medieneffekt: Themensetzung statt Einstellunsgsänderung
    ▪ “While the mass media may have little influence on the direction or intensity of attitudes, it is hypothesized that the mass media set the agenda for each political campaign, influencing the salience of attitudes towards the political issues.
    (McCombs & Shaw, 1972)”
  • Grundannahmen der Agenda-Setting Theorie
    ▪ Medien sind schwach in Bezug auf die Beeinflussung von Einstellungen/Meinungen
    ▪ Medien sind stark in Bezug auf die Themen, die wir besprechen
    MedienagendaBevölkerungsagenda
  • Agenda Setting: Prozessdarstellung
    1. Medien wählen Themen in ihrer Berichterstattung aus (Medienagenda)
    2. Menschen rezipieren Medienberichterstattung
    3. Sie lernen, welche Themen wichtig sind (Publikumsagenda)
    4. Sie sprechen eher über diese Themen in ihren Sozialkontakten
    5. Ein großer Einfluss auf die tatsächlichen Einstellungen ist aber nicht zu erwarten
  • Medienagenda:
    Rangfolge von Themen anhand ihrer Berichterstattungsintensität in den Massenmedien eines bestimmten Verbreitungsgebietes über einen bestimmten Zeitraum
    Berichterstattungsintensität: Aufsummierte
    Anzahl und Beachtungsgrad der Medienbeiträge über ein Thema
    Beachtungsgrad: bspw. anhand von
    • Platzierung des Beitrags
    • Größe/Länge des Beitrags
    • Bebilderung
  • Publikumsagenda
    Rangfolge von Themen anhand der ihnen
    von der Bevölkerung subjektiv zugeschriebenen Wichtigkeit
    ▪ Erhoben in Befragungen
    • Offen: Unabhängig von dem was die Medien sagen, was ist Ihrer Meinung nach das derzeit wichtigste politische Thema
    • Geschlossen: Einstufung der Wichtigkeit einer Reihe vorgegebener Themen (bspw. Jeweils von „1: unwichtig“ bis „10: sehr wichtig“)
  • Modelldarstellung Agenda-Setting
  • Agenda Setting - Empirie
    ▪ Chapel Hill-Studie (McCombs & Shaw, 1972)
    • Publikumsagenda: Befragung von 100 unentschlossenen Wähler:innen in Chapel Hill im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahl (1968)
    • Rangliste basierend auf der Frage:
    “What are you most concerned about these days? That is, regardless of what politicians say, what are
    the two or three main things which you think the government should concentrate on doing
    something about?"
  • Agenda Setting - Empirie
    Chapel Hill-Studie (McCombs & Shaw, 1972)
    Medienagenda: Inhaltsanalyse von Print- und TV-Berichterstattung
    • Basierend auf der Anzahl der Meldungen und Berichte zu einem Thema
    • Unterscheidung in Agenda für Major Items (Zählen der Topmeldungen/-berichte) und Agenda für Minor Items (Zählen der übrigen politischen Meldungen/Berichte)
  • Agenda Setting - Empirie
    Chapel Hill-Studie (McCombs & Shaw, 1972)
    ▪ Kritik
    • Kleine Stichprobe, nicht bevölkerungsrepräsentativ
    → Notwendigkeit großer, repräsentativer Bevölkerungsumfragen
    • Querschnitts-Analyse (Vergleich von Medien- und Publikumsagenda zum selben Zeitpunkt) erlaubt keine Rückschlüsse über die kausale Wirkungsrichtung
    → Notwendigkeit von Längsschnitt-Untersuchungen
    • Fehlende Berücksichtigung außermedialer Ereignisse, die sowohl die Medien- als auch die Publikumsagenda beeinflussen können (z. B. Pandemie, Naturkatastrophen…)
    → Notwendigkeit von extramedialen Vergleichsdaten
  • Agenda Setting - Empirie
    ▪ Bevölkerungsrepräsentative Stichprobe
    • Agenda-Setting ist stärker für die Hauptthemen der Berichterstattung als für Nebenthemen.
    • Agenda-Setting ist stärker, wenn Befragte die gesellschaftlich wichtigsten Themen angeben, als wenn sie nach den für sie persönlich wichtigsten Themen gefragt werden
  • Agenda Setting - Empirie
    ▪ Agenda Setting im Längsschnitt: Klassische Vorgehensweise
    Längsschnitt: Mindestens zwei Befragungen mit denselben Personen und zwei Inhaltsanalysen zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten
    ▪ Analyseverfahren: Kreuzkorrelationen
    ▪ Agenda-Setting ist gegeben, wenn
    Korrelation b > Korrelation a
  • Agenda Setting: Randbedingungen
    Mediengattung
    • Fernsehen: Scheinwerfereffekt (schnelle, starke, kurze AS-Effekte)
    • Printmedien: verzögerte, schwache, aber lang anhaltende AS-Effekte
  • Agenda Setting: Randbedingungen
    Thema
    • Überraschung (Neuigkeit) eines Themas fördert AS-Effekte
    • Aufdringlichkeit (Obtrusiveness, direkte Erfahrbarkeit)
    • ->Obtrusiveness-Annahme: AS eher bei nicht direkt erfahrbaren Themen
    • ->Cognitive-Priming-Annahme: direkte Erfahrbarkeit sensibilisiert für Medienberichterstattung und stärkt so AS-Effekte
  • Agenda Setting: Randbedingungen
    ▪ Rezipient:in
    • Gespräche sind bedeutsamer für Wichtigkeitseinschätzung als Medien-AS
    • Themenbetroffenheit/Involvement stärkt AS
    • Orientierungsbedürfnis stärkt AS indirekt über Intensität der Mediennutzung