Vorlesung 5 - Medienwirkung

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    • „Unter Wirkungen der Massenmedien werden im Allgemeinen alle Veränderungen verstanden, die ganz, partiell oder in Wechselwirkung mit anderen Faktoren auf Medien bzw. deren Inhalte zurückgeführt werden können.
    • Damit sind sowohl Phänomene auf der Mikro-Ebene (einzelne Rezipient:innen) als auch auf Makro-Ebene (Gesellschaft oder Teile davon) gemeint.
    • Langfristige und kurzfristige, direkte und vermittelte Wirkungen werden ebenso untersucht, wie Wirkungen in Form von Veränderungen oder Stabilisierungen. Dabei wird den Medien ein kausaler Einfluss zugeschrieben.“
  • Medienwirkung:
    • „Laien“ beschreiben Medienwirkungen häufig ähnlich wie Modelle starker Medienwirkungen
    • = Allumfassende Wirkungen, die auf jede/n gleich wirken (Stimulus-Response Modell)
    • Aufgabe der Kommunikationswissenschaft ist es, hier zu differenzierteren Aussagen beizutragen
  • Öffentliche Meinung stellt kumulierte persönliche Meinungen dar, die in einer Gesellschaft öffentlich diskutiert und/oder häufig als repräsentativ bzw. als Mehrheit wahrgenommen/methodisch hergestellt werden.
  • Einstellungen
    • Fokus der Medienwirkungsforschung war früher primär auf Einstellungen
    • Sinn und Zweck von Einstellungen
    • Reduzieren komplexer Information
    • Dienen als Triebfeder für Verhalten
    • Einstellungen nehmen zentrale Rolle im Medienwirkungsmodell ein
  • Zugrundeliegendes Modell
    • Medien beeinflussen die Einstellungen ihrer Rezipienten
    • Wie stark, wann und unter welchen Bedingungen?
    • Medien beeinflussen Einstellungen nicht direkt, sondern vermittelt über Inhalte
    • Implizit über Verhalten dargestellter Akteure
    • Explizit über Ideen und Botschaften, die vermittelt werden
    • Wichtig: Dies könnte auch über andere Kanäle geschehen
    • Mund-zu-Mund, Freunde, eigene Erfahrungen, Selbsterkenntnis
    • Aber: Medien haben gewisse typische Inhalte im Vergleich zu anderen Kanälen
  • Messungen von Einstellungen:
    • Semantisches Differenzial
    • Likert Skala
  • Einstellungserwerb und -änderung
    • Einstellungen werden zuerst erworben
    • Lerntheorien
    • Anschließend können diese „verändert“ werden
    • Persuasionstheorien
  • Ausgangslage
    • Medienkonsum hat meist nur geringen Einfluss auf Einstellungen
    • Viele (nicht alle) Einstellungen sind durchaus robust
    • Aber: Es muss nicht immer gleich Einstellungsumkehrung sein
    • Auch kleine Veränderungen sind politisch und gesellschaftlich relevant
  • Persuasion
    Einstellung: zeitlich relativ stabile Bereitschaft , in positiver oder negativer Weise auf eine bestimmte Klasse von Objekten (Person, Sache, Idee, Ereignis, Institutionen) zu reagieren
    • Affektive Dimension
    • Kognitive Dimension
    • Konative Dimension (Verhalten)
  • Woran erkennen Menschen ihre Einstellungen?
    • Affekt
    • Fühlt es sich gut an?
    • Bereitet mir der Gedanke Unbehagen?
  • Woran erkennen Menschen ihre Einstellungen?
    • Kognition
    • Wie bewerte ich etwas?
    • Wie schätze ich Risiken und Nutzen ein?
  • Woran erkennen Menschen ihre Einstellungen?
    • Verhalten
    • Selbstbeobachtung: Wie habe ich mich in der Vergangenheit diesbzgl. verhalten?
    • Annahme: Wenn ich etwas tue, dann muss ich es ja auch mögen!
  • Eigenschaften des Kommunikators
    • Glaubwürdigkeit, beruhend auf zwei Dimensionen
    • Vertrauenswürdigkeit
    • Expertise
  • Eigenschaften des Kommunikators
    • Von einer als unglaubwürdig eingestuften Quelle kommende Kommunikation wird eher als unfair und verzerrt wahrgenommen
    • Glaubwürdige Kommunikatoren sind kurzfristig effektiver als unglaubwürdige Kommunikatoren
    • Diese größere Effektivität ist nicht die Folge erhöhter Aufmerksamkeit oder besseren Verständnisses; die Glaubwürdigkeit scheint vielmehr die „kurzfristige“ Bereitschaft zu erhöhen, die Argumente anzunehmen
    • Der Vorteil glaubwürdiger Kommunikatoren verliert sich mit der Zeit (Sleeper Effect und Forgetting Effect)
  • Yale Studies
    • Sleeper Effect/Forgetting Effect: Quelle einer Botschaft wird mit der Zeit vergessen
    • Botschaften aus glaubwürdigen Quellen verlieren an Wirkung (Forgetting Effect)
    • Botschaften aus unglaubwürdigen Quellen gewinnen an Wirkung (Sleeper Effect)
  • Yale Studies: Bedingungen der Persuasion
    Eigenschaften des Kommunikators
    • Wahrgenommene persuasive/manipulative Intention schwächt Wirkung
    • Es sei denn: Die Botschaft widerspricht der dem Kommunikator unterstellten Intention
    • Physische Attraktivität des Kommunikators stärkt Wirkung
    • Macht des Kommunikators stärkt Wirkung
    • Soziale Attraktivität: Wahrgenommene Ähnlichkeit zwischen Kommunikator und Rezipient:in UND Gefälligkeit (Likability) stärken Wirkung
    • Wahrgenommene Übereinstimmung der Meinungen des Kommunikators mit Rezipient:in anderen Themenbereichen
  • Yale Studies: Bedingungen der Persuasion
    Eigenschaften der Botschaft
    • Berücksichtigung von Gegenargumenten
    • Sinnvoll bei Rezipient:innen mit höherer Bildung und mit gegenläufiger Meinung
    • Nicht sinnvoll bei Rezipient:innen mit niedrigerer Bildung und gleichgerichteter Meinung
    • Die Berücksichtigung von Gegenargumenten immunisiert gegen deren Verwendung durch den „Gegner“
    • Wichtig ist: Gegenargumente müssen auch entkräftet werden
  • Yale Studies: Bedingungen der PersuasionEigenschaften der Botschaft
    • Furchtappelle, wirken wenn:
    • Appell nicht zu stark, sonst entsteht Reaktanz (= Boomerang-Effekt)
    • Schwache Appelle bei Versuchen der Verhaltensänderung
    • Stärkere Appelle bei Versuchen der Verhaltensverhinderung
    • Je ängstlicher Rezipient:innen sind, desto wirksamer sind Furchtappelle
  • Yale Studies: Bedingungen der Persuasion
    Eigenschaften der Botschaft
    • Narrativität (erzählende Darstellungen) steigert Wirkung, weil
    • Lenkt Aufmerksamkeit und Involvement auf die narrativ dargebotene Medienbotschaft (vgl. Narrative Persuasion)
    • Lässt positive, hedonistische Grundstimmung entstehen
    • Fördert so unkritische Rezeptionsweise
    • (siehe auch Narrative Persuasion)
  • Yale Studies: Bedingungen der Persuasion
    Eigenschaften der Rezipient:innen
    • Lern- und Kritikfähigkeit
    • Leichter überzeugbar durch rationale Argumente
    • Weniger leicht überzeugbar durch verkürzte/falsche Argumente
    • Niedriger Selbstwert
    • Allgemein höhere Überzeugbarkeit
  • Yale Studies: Bedingungen der Persuasion
    Eigenschaften der Rezipient:innen
    • Stimmung
    • Negative Stimmung: Überzeugbarer durch Argumente
    • Positive Stimmung: Überzeugbarer durch periphere Reize (z.B. Quellenattraktivität)
    • Rezeptionsmotive
    • z.B. Hedonistische Medienzuwendung führt eher zu Persuasionseffekten
    • z.B. Medienzuwendung aus Informationsmotiv: geringere Persuasionseffekte
  • Zusammenfassung:
    • Einstellungen sind Bewertungen von Entitäten
    • Sie bestehen aus und entstehen durch Affekte und Kognitionen
    • Einstellungsänderungen sind zwar häufig mit Medienkonsum assoziiert, meist in Form von einer Einstellungsumkehr, obwohl dies selten vorkommt
    • Die Yale-Studien und nachfolgende Forschung zeigen Bedingungen für erfolgreiche Persuasion auf Seiten des Kommunikators, der Botschaften und der Rezipient:innen
  • Ohne Persuasion keine Medienwirkung?
    • Persuasion ist an so viele Rahmenbedingungen geknüpft, dass die Überzeugung eines Rezipient:in von einer Einstellung, die er/sie nicht schon vorher hatte, als die Ausnahme erscheint
    • Massenmedien können nur vorhandene Einstellungen verstärken (Verstärkerhypothese)
    • Aber: Müssen Massenmedien wirklich Einstellungen verändern, um Wirk-„Macht“ zu haben?
    • Wirkungen auf Realitätswahrnehmung, Themenrelevanz, Wissen
  • Agenda Setting
    • „The media may not be successful in telling people what to think, but they are stunningly successful in telling them what to think about” (McCombs & Reynolds, 2009, S. 2)
    • Medieneffekt: Themensetzung statt Einstellungsänderung
    • “While the mass media may have little influence on the direction or intensity of attitudes, it is hypothesized that the mass media set the agenda for each political campaign, influencing the salience of attitudes towards the political issues. (McCombs & Shaw, 1972)”
  • Grundannahmen der Agenda-Setting Theorie
    • Medien sind schwach in Bezug auf die Beeinflussung von Einstellungen/Meinungen
    • Medien sind stark in Bezug auf die Themen, die wir besprechen
    • Medienagenda → Bevölkerungsagenda
  • Agenda Setting: Prozessdarstellung
    1. Medien wählen Themen in ihrer Berichterstattung aus (Medienagenda)
    2. Menschen rezipieren Medienberichterstattung
    3. Sie lernen, welche Themen wichtig sind (Publikumsagenda)
    4. Sie sprechen eher über diese Themen in ihren Sozialkontakten
    5. Ein großer Einfluss auf die tatsächlichen Einstellungen ist aber nicht zu erwarten
  • Ausgangslage: Informationsreduktion
    • Medien können nicht über alle Themen und Ereignisse berichten
    • Es muss eine Auswahl getroffen werden
    • Diese Auswahl wird beeinflusst von verschiedenen Faktoren
    • Absicht
    • Nachfrage
    • Agenda der Stakeholder
  • Publikumsagenda
    • Rangfolge von Themen anhand der ihnen von der Bevölkerung subjektiv zugeschriebenen Wichtigkeit
    • Erhoben in Befragungen
    • Offen: Unabhängig von dem was die Medien sagen, was ist Ihrer Meinung nach das derzeit wichtigste politische Thema
    • Geschlossen: Einstufung der Wichtigkeit einer Reihe vorgegebener Themen (bspw. Jeweils von „1: unwichtig“ bis „10: sehr wichtig“
  • Medienagenda
    • Rangfolge von Themen anhand ihrer Berichterstattungsintensität in den Massenmedien eines bestimmten Verbreitungsgebietes über einen bestimmten Zeitraum
    • Berichterstattungsintensität: Aufsummierte Anzahl und Beachtungsgrad der Medienbeiträge über ein Thema
    • Beachtungsgrad: bspw. anhand von
    • Platzierung des Beitrags
    • Größe/Länge des Beitrags
    • Bebilderung
  • Agenda-Setting
    • ist stärker für die Hauptthemen der Berichterstattung als für Nebenthemen
    • ist stärker, wenn Befragte die gesellschaftlich wichtigsten Themen angeben, als wenn sie nach den für sie persönlich wichtigsten Themen gefragt werden
    • tritt dann auf, wenn aus Publikumsagenda Medienagenda bestimmt
  • Kritik an der Chapel Hill-Studie:
    • Notwendigkeit großer, repräsentativer Bevölkerungsumfragen
    • Notwendigkeit von Längsschnitt-Untersuchungen
    • Notwendigkeit von extramedialen Vergleichsdaten
  • Agenda Setting: Randbedingungen
    • Mediengattung
    • Fernsehen: Scheinwerfereffekt (schnelle, starke, kurze AS-Effekte)
    • Printmedien: verzögerte, schwache, aber lang anhaltende AS-Effekte
  • Agenda Setting: Randbedingungen
    • Thema
    • Überraschung (Neuigkeit) eines Themas fördert AS-Effekte
    • Aufdringlichkeit (Obtrusiveness, direkte Erfahrbarkeit)
    • Obtrusiveness-Annahme: AS eher bei nicht direkt erfahrbaren Themen
    • Cognitive-Priming-Annahme: direkte Erfahrbarkeit sensibilisiert für Medienberichterstattung und stärkt so AS-Effekte
  • Agenda Setting: Randbedingungen
    • Rezipient:in
    • Gespräche sind bedeutsamer für Wichtigkeitseinschätzung als Medien-AS
    • Themenbetroffenheit/Involvement stärkt AS
    • Orientierungsbedürfnis stärkt AS indirekt über Intensität der Mediennutzung
  • Framing bezeichnet die „Einbettung“ einer Nachricht in ein Deutungsumfeld, welches durch
    • Wortwahl
    • bildliche Darstellung
    • Informationsauswahl und -reihenfolge
  • Grundprinzip Framing
    • Gleicher Inhalt, gleiches Ereignis kann auf unterschiedliche Arten dargestellt/gedeutet werden
    • Prinzip:
    • Informationsreduktion und Aktivierung von Schemata
    • Aus einer Fülle von Informationen und Perspektiven wird eine ausgewählt
  • Framing bezeichnet
    • das Auswählen von solchen Aspekten eines Themas, die für die Gestaltung eines Medientexts, eine bestimmt wertende Deutung nahelegen
    • die Betonung dieser Aspekte im Medientext
    • die gleichzeitige Auslassung von Aspekten, die eine andere Deutung nahelegen
  • Die ausgewählten und betonten Aspekte sind die Frame-Elemente, z.B. häufig:
    • Problemdefinition
    • Ursachenzuschreibung
    • Moralische Bewertung
    • Handlungsempfehlung
  • Arten von Framing
    • Episodisches vs. thematisches Framing
    • Gewinn- vs. Verlust -Frames
    • Strategie- und Thema -Frames
    • Human Interest-, Konflikt und wirtschaftliche Konsequenzen -Frames
  • Effekte von Framing
    • Die wiederholte Verwendung eines Frames in der Berichterstattung über ein Thema (bei Auslassung alternativer Frames), macht den Frame leichter kognitiv verfügbar
    • Die erhöhte kognitive Verfügbarkeit führt zu einer erhöhten wahrgenommenen Relevanz der vom Frame vorgegebenen Bewertungskriterien
    → Einfluss auf Einstellungen und Handlungsabsichten in Bezug auf das Thema