Two step flow of communication

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  • Was ist interpersonale Kommunikation
    • Fokus auf Kommunikation zwischen wenigen Menschen, entweder unter Anwesenden oder mittels Nicht-Massenmedien 
    • Entweder bilateral (zwei Personen) oder multilateral (mehrere Personen) 
  • Hintergrund 
    • Wendepunkt in der Kommunikationswissenschaft (?) 
    • Vorher: Annahme starker Medieneffekte (?) 
    • Nun:
    ->Annahme/Betonung schwacher Medieneffekte 
    ->Annahme starker interpersonaler Effekte 
    • Das Soziale rückt (stärker) in den Mittelpunkt 
    • Herausbildung des Konzeptes des Meinungsführers und der Meinungsführerschaft 
  • „The People‘s Choice“: Erie-County Studie 
    • Fragestellungen:
    -Welche Faktoren beeinflussen das Wahlverhalten?
    -Welche Rolle spielen die Medien?
    • Untersuchungszeit: US-Präsidentschaftswahlkampf 1940, Wendell L. Willkie (Rep.) vs. Franklin D. Roosevelt (Dem.) 
    • Untersuchungsort: Erie-County (Ohio) 
    • Design: Längsschnittstudie (mehrmalige Befragung derselben Personen) über 7 Monate, N = 600
    -Voreinstellung (Parteipräferenz, Ursprüngliche Wahlabsicht) 
    -Mediennutzung 
    -Wahlverhalten 
  • „The People‘s Choice“: Erie-County Studie 
    Zentrale Erkenntnisse:
    • Medienauswahl richtet sich an Voreinstellungen aus: Selektive Medienauswahl/Selective Exposure 
    • Mehrheit behält ursprüngliche Meinung 
    • Massenkommunikation folgt einem zweistufigen Verlauf: Two-Step-Flow of Mass Communication 
    • Im unmittelbaren sozialen Umfeld der Rezipient:innen gibt es Menschen, die einflussreicher für die Einstellungsbildung sind als die Massenmedien: →Meinungsführerkonzept/Opinion Leaders 
  • „The People‘s Choice“: Erie-County Studie 
    • Annahmen, warum Medieneffekte gering sind 
    1. Stabilität der Einstellungen aufgrund eines Schutzschildes: Wähler:innen setzen sich nur solcher „Propaganda“ aus, der sie zustimmen (siehe auch Konsistenztheorien) 
    2. Durch Stabilität der Einstellungen können Wähler:innen Konflikte und Uneinigkeiten in sozialer Umgebung besser vermeiden 
    3. Zugleich verstärken die Kontakte mit Gruppenmitgliedern geteilte Einstellungen 
    4. Änderungen nur dort, wo Wähler:innen entgegengesetzten Kräften ausgesetzt sind 
  • Two-Step_Flow of Mass Communication:
    • Die meisten Menschen nutzen selbst keine politischen Medieninhalte
    ->Politische Medienbotschaften erreichen nur wenige Rezipient:innen direkt 
    • Die meisten Menschen kommen nur im Gespräch mit anderen Menschen (die selbst politische Medieninhalte nutzen) in Kontakt mit politischen Medienbotschaften
    ->Dadurch werden die Botschaften durch den Gesprächspartner gefiltert (was erzähle ich) und wertend eingeordnet (wie erzähle ich es) 
  • Meinungsführerkonzept:
    • Menschen, die politische Medieninhalte selbst nutzen, unterscheiden sich systematisch von denjenigen, die dies nicht tun
    1. Höherer Bildungsstand, höherer sozio-ökonomischer Status 
    2. Höheres politisches Interesse 
    3. „Persönlichkeitsstärke“ (Noelle, 2001) 
    4. Meinungsführer 
  • Charakteristika Meinungsführer:
    • Höheres politisches Interesse 
    • Kosmopolitische Orientierung 
    • Höhere Mediennutzung 
    • Höhere Aufmerksamkeit für die Gruppe 
    • Kommen in allen sozialen Schichten vor 
    Kombination persönlicher und sozialer Merkmale:
    • „wer man ist“ 
    • „was man weiß“ 
    • „wen man kennt“ 
  • Diskussion der Studie:
    • Einteilung in Meinungsführer:innen und Gefolgsleute zu einfach
    -Gibt auch „Austauscher“ und „Isolierte“ 
    -Meinungsführerschaft nicht genau gemessen 
    • Flow nicht nur in eine Richtung; Meinungsführer:innen werden ebenso beeinflusst
    -Methodisch etwas unsauber, zentrale Behauptungen nicht empirisch belegt 
    • Historischer Kontext kaum beachtet
    -Früher wenig Wechselwähler:innen, dafür stabile Parteibindung 
    • Framing der Studie hin auf „minimal effects“; Strohmann? 
    • Dennoch: Betonung sozialer Prozesse wichtig und richtig 
  • Modifizierter Two-Step-Flow:
    • Tatsächlich erreichen politische Medienbotschaften und Informationen die meisten Rezipient:innen direkt 
    • Medieninhalte sind aber trotzdem häufig Anlass für Gespräche
    -Hier kann eine Ergänzung und Umbewertung der Medienbotschaften erfolgen 
    -Gesprächspartner sind also nicht so sehr für die Weitergabe von Botschaften und Informationen relevant, wohl aber für ihre Einordnung und Bewertung 
    -Wer keine Gespräche führt, bei dem sind direkte Medieneffekte denkbar 
    • Heute: What about Influencers? (berufliche Meinungsführer?)
  • Weiterentwicklungen des Two-Step-Flow-Konzepts: 
    -Centrals und Marginals (Weimann, 1982)
    • Centrals: Personen mit zentraler Position in einer Gruppe (häufige Kontakte mit vielen Gruppenmitgliedern) → Beeinflussen Meinungsbildung in der Gruppe 
    • Marginals: Personen mit randständiger Position in der Gruppe (seltenere Kontakte mit weniger Gruppenmitgliedern) → Bringen neue Informationen in die Gruppe 
  • Weiterentwicklungen des Two-Step-Flow-Konzepts:
    -Themenspezifische Meinungsführerschaft (Katz & Lazarsfeld, 1964)
    • Das von Lazarsfeld ursprünglich formulierte Profil von Meinungsführern gilt nur für politische Meinungsführerschaft 
    • Meinungsführer für andere Themengebiete haben ganz andere Eigenschaften: Bspw. Lifestyle: junge Menschen, sozio-ökonomischer Status spielt keine Rolle 
  • Weiterentwicklungen des Two-Step-Flow-Konzepts:
    -Opinion sharing (Troldahl & Van Dam, 1965)
    • Gesprächspartner:innen wechseln innerhalb einzelner Gespräche zwischen der Rolle des Opinion Giver und Opinion Asker 
  • Öffentliche Meinung und Wahrnehmungsprozesse 
    Vorausgesetzte Annahmen: 
    • Bestimmte Themen, Situationen oder Konflikte nehmen wir nur wahr, weil wir von ihnen über die Massenmedien oder in Unterhaltungen erfahren. 
    • In den Leitmedien herrscht weitgehende Konsonanz in der Berichterstattung. 
    • Zusätzlich können sich Menschen der massenmedialen Berichterstattung nur schwer entziehen 
  • Schweigespirale Annahmen:
    1. Menschen sind soziale Wesen 
    • Isolationsfurcht
    -Ausschluss von der Gruppe bedrohlich 
    -Möchten nicht ausgeschlossen werden 
    • Es entsteht Konformitätsdruck 
    • Gesellschaft hier primär als eine kohärente soziale Gruppe verstanden 
  • Schweigespirale Annahme:
    2. Menschen machen sich Bild über öffentliche Meinung 
    • Menschen verhalten sich selbst wie kleine Umfrageinstitute
    -Welche Meinung herrscht aktuell vor
    -Was ist eine Randposition
  • Schweigespirale Annahmen:
    3. Spirale der Meinungsäußerung 
    • Verstärkereffekt vs. Selbstzensur Wer sich in Mehrheit fühlt oder glaubt, dass Popularität eigener Meinung steigt, äußert sich eher 
    -Wer sich in Minderheit fühlt oder
    -Wer glaubt, dass Popularität eigener Meinung abnimmt, schweigt eher 
    • Ergebnis: In der Gesellschaft gibt es
    -Laute Mehrheit 
    -Schweigende Minderheit 
    Schweigespirale 
  • Schweigespirale Annahmen:
    4. Starker Einfluss der Medien 
    • Massenmedien bestimmen die Wahrnehmung der öffentlichen Meinung
    -Berichte der Massenmedien werden als öffentliche Meinung (fehl-)interpretiert („doppeltes Meinungsklima“) 
    • Medien sind stark, da
    -Kumulation von Information 
    -Konsonanz in Leitmedien (weitestgehend; Annahme der „Mainzer Schule“: eher links) 
    • Menschen können sich dem schwer entziehen 
  • Schweigespirale Annahmen:
    5. Voraussetzung: Muss sich um normative Positionen handeln 
    • Es geht weniger darum, ob etwas logisch oder faktisch korrekt oder inkorrekt ist 
    • Es geht darum, ob etwas moralisch besser oder verwerflich bzw. politisch wünschenswert oder nicht wünschenswert ist 
    • Weitere Einflussfaktoren: Aktualität der Debatte, Kontroverse (bipolare, unversöhnliche Meinungslager) 
  • Schweigespirale:#
  • Aktuelle Forschung zur Schweigespirale:
    • Ein Online-Experiment zeigte, dass die Isolationsfurcht der Teilnehmenden dafür sorgte, dass sie genauer auf Kommentare unter Beiträgen in den sozialen Medien achteten, was wiederum die Wahrnehmung des Meinungsklimas beeinflusste (Neubaum & Krämer, 2017) 
    • Bei einem Vergleich zwischen Offline- und Online-Situationen waren die Versuchspersonen online weniger bereit, eine Minderheitsmeinung zu vertreten, da sie stärkere Angriffe und Kontrollverluste über die Reaktionen des Publikums erwarteten (Neubaum & Krämer, 2018) 
  • Theorie der Schweigespirale
    Diskussion:
    • Eine der bekanntesten und bedeutsamsten Theorien der Kommunikationswissenschaft 
    • Empirische Überprüfung unvollständig: Einfluss von Drittvariablen wurde nicht erfasst, meist nur bivariat untersucht; Operationalisierungen schwierig 
    • Siehe aber neuere Studien (auch zur Anwendung in digitalen Medienumgebungen
    • Kulturabhängig: Schweigespirale in kollektivistischen Kulturen stärker als in individualistischen 
  • Theorie der Schweigespirale 
    Kritik:
    • Anthropologische Annahme der Isolationsfurcht zu allgemein, widersprechende Befunde zur Redebereitschaft (z.B. Gerhards 1996): geringer Prozentsatz von „Anpassern“, andererseits auch „Missionare“, die bewusst ihre Minderheitsmeinungen vertreten (vocal minority) 
    • Unterkomplexes Gesellschaftsbild: homogene Masse, öffentliche Meinung als reines Aggregat
    • Der Hostile-Media Effekt besagt, dass Anhänger:innen einer bestimmten Position dazu tendieren, die Berichterstattung zu dem betreffenden Thema als verzerrt/einseitig/unfair wahrzunehmen, obwohl sie eigentlich neutral ist (Gunther, 2017). 
    • Er tritt insbesondere bei kontroversen Inhalten und polarisierenden Anhängerschaften auf (Giner- Sorolla & Chaiken, 1994). 
    • Er ist stärker, wenn bei den Rezipierenden ein Interesse für das Thema vorhanden ist und sie über Vorwissen verfügen. 
    • Die Richtung der Verzerrung ist abhängig von der jeweiligen Voreinstellung (Vallone et al., 1985). 
  • Der Third-Person-Effekt 
    • Menschen überschätzen den Einfluss medialer Berichterstattung auf andere, nehmen für sich selbst allerdings nur geringe Effekte an (Davison, 1983) 
    • Der Third-Person-Effekt tritt vor allem bei unerwünschten oder negativen Medieninhalten auf, z.B. bei Gewaltdarstellungen (Perloff, 2019) 
    • Bei positiven, gewünschten Medieninhalten ist ein First-Person-Effekt beobachtbar: Menschen gehen davon aus, dass der Inhalt auf sie selbst einen größeren Einfluss haben kann, als auf andere (Huck & Brosius, 2007; Innes & Zeitz, 1988) 
  • Lernen mit und durch Medien 
    • Lernen kann im Medienumfeld vielfältig stattfinden: z.B. in klassischen Wissensangeboten oder Lernapplikationen, aber auch in Unterhaltungsmedien 
  • Wissen nach Ryle (1946; zit. n. Glick, 2011):
    Deklaratives Wissen 
    = Faktische Kenntnisse über Sachverhalte 
    (wissen, dass...)

    Prozedurales Wissen
    = Verständnis von psychomotorischen Fähigkeiten
    (wissen wie)
  • Definition: Lernen 
    1. Kognitionspsychologische Sicht: Lernen wird als Aufbau und Veränderung von Wissensrepräsentationen und damit als ein bereichsspezifischer, komplexer und mehrstufiger Prozess des Verstehens, Speicherns und Abrufens betrachtet
    2. Konstruktivistische Sicht: Lernen ist ein aktiver Konstruktionsprozess, der Wissensstrukturen aufbaut, aktiviert, elaboriert und organisiert
    3. Behavioristische Sicht: Unter Lernen versteht man die Veränderung des Verhaltens oder von Verhaltensintentionen, die sich aus wiederholten beobachteten Erfahrungen in einer bestimmten Situation erschließen 
  • Wissen und dessen Bedeutung 
    -Annahme:
    • Informierte Bürger:innen sind die Voraussetzung für funktionierende Demokratie 
    -Schriftenbasierte Medien (Buch, Zeitung, Internet) führen im Schnitt zu mehr Wissen als audio-visuelle Medien (TV, Audio) 
    -Häufig lernen wir nur, wenn wir denken, dass Wissen nützlich ist
  • Wissenskluft-Hypothese: 
    Medien wirken als Trendverstärker von Wissensunterschieden zwischen den Bildungsschichten, da Höhergebildete:
    • häufiger Printmedien nutzen 
    • schneller lernen 
    • über mehr themenspezifisches Vorwissen verfügen 
    • über mehr Medienkompetenz verfügen 
    • stärker an politischen Informationen interessiert sind 
    • Inhalte durch interpersonale Anschlusskommunikation vertiefen 
  • Wissenskluft-Hypothese 
    -Annahme: Wissen nimmt im Laufe der Zeit mit Berichterstattung zu
    • Personen aller Bildungsniveaus lernen hinzu 
    • Anfangs schneller, später langsamer 
    • Aber: Personen mit hohem Ausgangsniveau lernen verhältnismäßig mehr dazu 
    • Matthäus-Effekt oder Rich-get-richer- Effekt 
  • Wissenskluft-Hypothese 
    Ergebnisse, Weiterentwicklungen: 
    • Bildungsabhängige Unterschiede in der Wissensaneignung
    -Zeitungsleser:innen sind besser informiert, Zeitungslektüre kann Bildungsnachteile kompensieren, TV-Konsum dagegen nicht 
    • Geringe Wissenskluft bei konflikthaften, polarisierenden Themen und bei Rezipient:innen mit hohem Involvement (Interesse, Vorwissen, persönliche Betroffenheit, interpersonale Quellen) 
    • „Deckeneffekte“ bei Informationskampagnen (Wissenssättigung) 
    • „Digital Divide“ neue Wissensklüfte aufgrund unterschiedlicher Medienkompetenz bei der Internet-Nutzung 
  • Wissenskluft-Hypothese 
    • Weitere positiv moderierende Faktoren
    -Vorwissen 
    -Medienkompetenz 
    -Art der Rezeption
    ->Vielfalt der Medien und Anteil an Printmedien 
    • Intelligenz & Kapazität 
    • Sozialer Austausch 
  • Wissenskluft-Hypothese 
    Kritik:
    • Wissensbegriff ist oft auf Schulbuchwissen fokussiert, das vor allem für Personen mit Mittelschicht-Hintergrund relevant ist 
    • Fehlende Differenzierung zwischen Fähigkeit und Motivation zur Wissensaneignung 
    • Fehlende Differenzierung zwischen Medienauswahl (Kontakt mit dem Medium), Medienrezeption (Involvement) und Medienaneignung (Anschlusskommunikation)
  • Fazit: Wissenskluft-Hypothese 
    • „Privilegierte“ Schichten eignen sich Wissen und Informationen aus den Massenmedien schneller an als weniger „privilegierte“
    -Privilegiert heißt v.a.: höhere Bildung 
    -Massenmedien heißt v.a.: Printmedien 
    • Dadurch fördern Massenmedien die Kluft in Wissen und Informationsstand zwischen unterschiedlichen Bevölkerungssegmenten