Wirkungen auf Weltvorstellungen und Verhalten

Cards (27)

  • Ausgangslage der Kultivierungsforschung
    • Medien erlauben Blick in die Welt
    • Können somit Vorstellungen prägen, z.B.
    -Welche Berufe gibt es?
    -Welche Menschen gibt es?
    -Welche Kulturen gibt es?
    -Was ist gut, was ist böse?
    • Medien geben die Welt (zwangsläufig) verzerrt wieder
    ->Mediennutzer:innenhaben andere Weltbilder und Vorstellungen als Nicht-Nutzer:innen
  • Kultivierungshypothese
    • Agenda-Setting und Framing gehen davon aus, dass die Massenmedien einzelne Themen, einzelne Bewertungsattribute und Deutungsmuster für einzelne Themen betonen
    • Die Kultivierungshypothese besagt, dass die Massenmedien (besonders: Fernsehen) in ihrer Gesamtheit themenüberspannende Metabotschaften transportieren und kultivieren (in den Rezipient:innenverankern)
  • Kultivierungshypothese
    • “Television is the source of the most broadly shared images and messages in history [...]Television cultivates from infancy the very predispositions and preferences that used to be acquired from other primary sources [...] The repetitive pattern of television's mass-produced messages and images forms the mainstream of a common symbolic environment.”
  • Kultivierungshypothese
    Beispiele für Metabotschaften
    • Die Welt ist gefährlich (es wird viel über Gewalt berichtet und viel Gewalt in fiktionaler Inhalten dargestellt, die in unvorhersehbaren Situationen über die Opfer hineinbricht)
    • Männer sind aktiv, Frauen sind passiv (Männliche Protagonisten in Serien und Filmen reden mehr und sind häufiger Handlungsinitiatoren)
    • Erfolg ist Ergebnis harter Arbeit; wer keinen Erfolg hat, hat nicht hart genug gearbeitet
  • Kultivierungshypothese
    Grundannahme
    • Die Massenmedien (v.a. Fernsehen) sind ein messagesystem
    • Zugang zu Entscheidungspositionen in diesem System haben nur bestimmte Menschen (vor allem hochgebildete, ältere Männer ->1970er in den USA!)
    • Diese Menschen legen ihre Sichtweise auf die Welt an die Medieninhalte an, die sie produzieren
    • Diese Sichtweisen durchdringen als Meta-Botschaften (fast) alle einzelnen Medienprodukte und -inhalte und schaffen ein distinktes Bild der Realität (Fernsehrealität)
  • Kultivierungshypothese
    Grundannahme
    • Wer sich dem Output dieses messagesystem besonders intensiv aussetzt (Vielfernseher:innen), der übernimmt allmählich unbewusst die  Metabotschaften und das Realitätsbild des Fernsehens (Kultivierungseffekt)
    • Warum v.a. Fernsehen? –Audiovisualität: Wirklichkeitsnähe,geringe Nutzungshürden, direkte Verarbeitung
  • Methodische Umsetzung der Kultivierungshypothese
    Message System Analysis
    • Inhaltsanalysen Fernsehangebot: Aufdecken der Meta-Botschaften
    • Besonderer Fokus: Gewaltdarstellungen; „The violenceprofile“
    -Definition Gewalt“The overt expression of physical force (with or without a weapon, against self or other), compelling action against one’s will on pain of being hurt or killed, or actually hurting or killing“
    -Zählen aller Gewaltakte
  • Methodische Umsetzung der Kultivierungshypothese
    CultivationAnalysis
    • Befragungen in der Bevölkerung (zur Einteilung in bestimmte Kategorien, z.B. Viel-vs. Wenigseher:innen)
  • Kultivierungshypothese
    First- vs. Second-order-cultivation
    • First-order-cultivation: Übernahme von Vorstellungen über soziale Realität (Fakten), bspw. es geschehen viele Gewaltverbrechen
    • Second-order-cultivation: Ableiten von Einstellungen und Normen, bspw. „Man sollte fremden Menschen nicht einfach so trauen!“
  • Kultivierungshypothese
    Kultivierung durch das Gesamtangebot vs. genrespezifische Kultivierung
    • Neuere Kultivierungsstudien gehen davon aus, dass es angebots typische inhaltliche Muster gibt, die sich entlang von Genres strukturieren lassen
    • Bspw.: Verbrechensangst wird v.a .durch Krimis und Nachrichten kultiviert
  • Fazit und Diskussion
    Kultivierungshypothese
    -> Die Kultivierungshypothese ist eine Wirkungshypothese, sie setzt aber ein spezifisches Muster von Medieninhalten voraus
    -> Die Verzerrung der Realitätswahrnehmung (Mean World Syndrome) kann auch zu entsprechendem Verhalten führen (?) 
  • Annahme der sozial-kognitiven Lerntheorie
    • Menschen lernen nicht ausschließlich durch eigene Erfahrung
    • Menschen lernen ebenso am Modell
    -Wir beobachten Umfeld und Verhalten anderer
    -Wir beobachten Konsequenzen: folgt Belohnung oder Bestrafung?
    -Wenn Belohnung, steigt Wahrscheinlichkeit, Verhalten zu übernehmen (und vice versa)
    -Führt zu sog. Stellvertretenden Lernerfahrungen (vicariouslearning)
    • Wichtig
    -Verhalten und Konsequenz müssen salient sein (heißt: durchdringend, wahrnehmbar)
  • Sozialkognitive Lerntheorie 
    • „The Bobo Doll Experiment“ 
    • Kinder beobachten, wie Erwachsener eine Spielpuppe schlägt (WTF!)
    • Erwachsener wird anschließend entweder belohnt oder bestraft für Verhalten
    • Kinder kopieren anschließend Verhalten
    -Bei Belohnung häufiger als bei Bestrafung
  • Sozialkognitive Lerntheorie
    Modell-Lernen
    • Lernen von Verhalten aufgrund der bloßen Beobachtung dieses Verhaltens bei anderen (Modelle)
    • Vier Prozesse sind beteiligt
  • Sozialkognitive Lerntheorie
    Modell-Lernen
    Vier Lernprozesse
    -Aneignungsphase
    • Aufmerksamkeitsprozesse: Welche potentiellen Modelle nehme ich wahr und welche Aspekte ihres Verhaltens nehme ich war?
    • Gedächtnisprozesse: Welche Aspekte des Modell-Verhaltens werden als neue (oder veränderte) kognitive Schemata im Gedächtnis abgelegt?
    -Ausführungsphase
    • Motorische Reproduktionsprozesse: Wie setze ich das Verhalten um?
    • Verstärkungs- und Motivationsprozesse: Will ich das Verhalten überhaupt umsetzen?
  • Modell-Lernen
    Zentrale Bedingungen
    • Verstärkung des Verhaltens
    • Selbst-Wirksamkeit (Überzeugung, zur erfolgreichen Durchführung eines Verhaltens in einer gegebenen Situation fähig zu sein)
    • Wahrgenommene Attraktivität des Modells (physische Attraktivität, Status)
    • Wahrgenommene eigene Ähnlichkeit zum Modell
    • Visuelle Beobachtbarkeit des Verhaltens des Modells
    -direkte Beobachtung
    -Beobachtung in Bewegtbild (Video)
    => Identifikationspotential
  • Implikationen und Diskussion
    -Implikation
    • Verhalten anderer wird häufig kopiert
    • Einstellungen folgen daraus und ergeben sich eher implizit
    • Vor allem für Einstellungserwerb relevant (nicht für -veränderung)
    -Kritik
    • Beobachtung und Kopie lediglich eine Weise von vielen, Einstellung zu lernen
    • Effekte von Verhalten auf Einstellungen sollte nicht überschätzt werden
  • Theorien zur gewaltfördernden Wirkung von Medien (II)

    Desensibilisierungshypothese
    ->
    Die Habitualisierungshypothese nimmt an, dass Reaktionen auf einen bestimmten Reiz mit Zunahme der Wiederholungen abnehmen.
    ->
    Die Generalisierungshypothese geht zusätzlich davon aus, dass Habitualisierung auch für Reaktionen auf Reize gilt, die dem ursprünglichen Reiz ähnlich sind.

    Für die Annahme, dass bestimmte Gehirnareale, die für die Verarbeitung gewalthaltiger Videospiele zuständig sind, bei häufigerem Spielen abnehmen, finden sich keine eindeutigen Belege
  • Theorien zur gewaltfördernden Wirkung von Medien (III)
    -Die Frustrations-Aggressions-Hypothesegeht davon aus, dass das Erleben von Frustration aggressives Verhalten begünstigt
    • Frustration wird durch jedes Ereignis ausgelöst, bei dem eine Person am Erreichen eines Ziels gehindert wird
    • Frustrationserlebnisse führen zu negativem Affekt, welcher sich auf aggressives Verhalten auswirkt
    • Beide Zusammenhänge können von individuellen Faktoren und äußeren Umständen verstärkt oder gehemmt werden
    -Bei der Nutzung von interaktiven Medien kann Frustration entstehen
  • Nutzung gewalthaltiger Videospiele im General Aggression Model (GAM; Anderson & Bushman, 2018)
    • Die Nutzung gewalthaltiger Videospiele erhöht die Verfügbarkeit aggressiver Skripte, die in kognitiven Prozessen (Schritt 2) aktiviert werden können (Anderson et al., 2010)
    • So steigt die Wahrscheinlichkeit für aggressives Verhalten (Carnagey& Anderson, 2004)
    • Kritik: Andere Faktoren die zu aggressivem Verhalten führen können, z.B. soziale Position des Individuums, werden nicht berücksichtigt (Ferguson et al., 2008)
  • Differential Susceptibility to Media Effects (DSMM)
    Grundidee
    Proposition 1: Medieneffekte sind konditional. Sie hängen von drei Klassen von Rezipient:inneneigenschaften ab (differential susceptibility variables)
    • Dispositionen: Geschlecht, Persönlichkeit…
    • Entwicklungsbedingte Variablen: kognitiver Entwicklungsstand, altersbedingte Veränderungen motorischreFähigkeiten…
    • Soziale Variablen: Familien-und Peereinflüsse, Schule, Kultur…
  • DSMM
    Grundidee
    Proposition 2: Medieneffekte sind indirekt. Sie hängen von kognitiven, affektiven und physiologisch-erregungsbezogenen Verarbeitungsprozessen ab
    -> Je ausgeprägter die drei Verarbeitungsprozesse, desto stärker der Medieneffekt
    Proposition 3: Die Rezipient:inneneigenschaften(differential susceptibilityvariables) haben zwei Rollen
    • Sie beeinflussen Medienauswahl (Role1: predictors)
    • Sie beeinflussen, wie ein ausgewählter Medieninhalt verarbeitet wird(Role2: moderators)
  • DSMM
    Grundidee
    Proposition 4: Medieneffekte sind transaktional. Sie haben Rückwirkungen auf
    • Medienauswahl
    • Verarbeitungsprozesse
    • Rezipient:inneneigenschaften
    -> Sind tragen somit wiederum selbst zur Veränderung anderer Medieneffekte bei
  • DSMM: Fazit
    • DSMM ist ein neues Modell, welches berücksichtigt, dass verschiedene Faktoren beeinflussen, ob und wie ein Medieninhalt bei den Rezipient:innen wirken kann 
    • Berücksichtigt auch langfristige Entwicklungen (siehe auch ReinforcingSpiralsModel), die aber innerhalb des DSMM nur schwierig empirisch zu testen sind
  • Wirkungen auf gesellschaftlicher Ebene
    -Ausgangsprämisse
    • Medien haben gesellschaftliche Bedeutung (bspw. für Demokratie)
    • Effekte können auch dysfunktional sein
    -z.B. Wissenskluft & Digital Divide
    • Medien beeinflussen Informationszugang und Wissensverteilung
    -Schweigespirale
    • Medien beeinflussen Vorstellungen über Meinungsverteilungen und stoßen damit neue Dynamiken an 
  • Medien und Gesellschaft
    -Fokus nicht auf Individuum, sondern Summe der Individuen
    • Stimmungsbilder und Verhaltensmuster in der Gesellschaft
    • Veränderungsprozesse in der Gesellschaft
    -Betrachtung von Emergenz und emergenter Phänomene
  • Bedeutung für Medien und Gesellschaft
    -Ja, Medien verändern die Gesellschaft
    -Aber
    • Medieneffekte weiterhin individuell
    • Einzelpersonen rezipieren
    • Einzelpersonen werden überzeugt
    -Individuelle Effekte führen zu unterschiedlichem Gesamtbild und Muster, die auf individuelle Vorstellungen und Verhaltensweisen zurückwirken („Mikro-Makro-Link“)
    -Beispiel: Wahlen und politisches Klima
    • Einzelentscheidungen, die dann ein Gesamtbild ergeben
    • Gesamtbild wiederum kann auch Einzelentscheidungen beeinflussen