Vorlesung 8 - Spezielle Inhalte und Ansätze: Unterhaltung

Cards (35)

  • Was ist Unterhaltung?
    • Vielseitige Formen und hoch individuell
    • Herausforderung: Allgemein wissenschaftliche Definition mit individuellen Aspekten
    • Rezeptionsphänomen, welches individuell genutzt wird und unterschiedliche Ausprägungen annehmen kann
  • Mediennutzung (Unterhaltung) als Eskapismus
    • Früher: Primär dysfunktionale Verhaltensweise zur Betäubung aktueller Probleme durch seichte Unterhaltungsformate
    • Heute: Unterscheidung
    • Dysfunktionaler Eskapismus: Flucht in Medieninhalte, um sich von Problemen und negativem Affekt abzulenken
    • Funktionaler Eskapismus: Coping-Strategie, Stress-Abbau und Erlangen von positivem Affekt
  • Unterhaltungserleben: Klassische Definition
    • In der kommunikationswissenschaftlichen Unterhaltungsforschung wird Medienunterhaltung meist als Rezeptionsphänomen definiert
    • Traditionell wird das Unterhaltungserleben als angenehmer und positiver Erlebenszustand beschrieben
    • Klassische Definition: Hedonische Sichtweise -> Unterhaltungserleben als reines Vergnügen an der Medienrezeption
  • Mood Managment: Mood Management Theorie
    • Annahme 1: Hedonismus
    • Menschen suchen angenehme Zustände
    • Menschen vermeiden negative Zustände
    • Annahme 2: Homöostase
    • Menschen suchen angenehmes Stimulationsniveau
    • Menschen vermeiden Über- und Unterstimulation
  • Mood Management: Wirkmechanismen der Medien
    • Mediennutzung führt zu speziellen Emotionen, Affekten und Stimmungen
    • Menschen lernen, welches Medienverhalten zu welchen Empfindungen führt
    • Sobald Mediennutzung hilft, einen bestimmten Zustand zu erreichen, verfestigt sich die Mediennutzung
    • Vorgang ist implizit
    • Basiert auf dem Prinzip der Konditionierung
  • Mood Management: Anknüpfung an UGA?
    • Wieder selektive Zuwendung zu Medienangeboten
    • Aber
    • Engeres Spektrum an Inhalten: Vorwiegend Unterhaltungsangebote
    • Engeres Spektrum an Zuwendungsgründen: Affekt
    • Vertiefung der Motivgruppe "Unterhaltung"
    • Nähere Motive nicht unbedingt bewusst
  • Mood Management: Affekt & Arousal
    • Zwei Dimensionen des Affekts
    • negative vs. positive Stimmung
    • überregte vs. unterregte Stimmung
    • Grundmotiv 1: Individuen möchten negative Stimmungen abbauen / positive Stimmungen erhalten (Hedonistische Motivation)
    • Grundmotiv 2: Individuen streben ein mittleres Erregungsniveau an
    • Nicht notwendigerweise bewusst -> Verhaltenstheorie
  • Mood Management: Stimmungsregulation durch Medienzuwendung
    • Stimmungsregulation erfolgt durch
    • Manipulation der Umgebung
    • Wechsel in eine andere Umgebung
    • (Umdeutung der Umgebung)
    • Bedeutung der Medien
    • Ermöglichen leicht einen symbolischen Umgebungswechsel
    • Erste Befunde
    • Gelangweilte Individuen nutzen bevorzugt erregende Inhalte
    • Gestresste Individuen nutzen:
    • teils wenig erregende Inhalte
    • teils sehr erregende Inhalte
  • Mood Management: Kritik und Weiterentwicklung
    • Problem mit Mood Management:
    • Immer möglichst gute Stimmung?
    • Erklärung von Medieninhalten mit negativer Valenz?
    • Alternative 1: Mood Adjustment
    • Manchmal funktional, unterstimuliert oder schlecht gelaunt
    • Stimmungsregulierung orientiert an einer zweckmäßigen Stimmung zu einer spezifischen Situation
    • Alternative 2: Eudaimonisch motivierte Medienzuwendung
  • Problem: Die rein hedonische Perspektive klassischer Unterhaltungstheorien vernachlässigt die Rezeption von Stimuli, die zu aversiven Reaktionen führen.
  • Unterhaltungserleben: Zwei-Prozess-Modelle
    • Hedonische Seite: Spaß, Spannung + Non-hedonisch (Intrinsische Bedürfnisse oder "Appreciation")
  • Unterhaltungserleben: Intrinsische Bedürfnisse
    • Menschen streben nicht immer nach hedonischem Glück, sondern nach psychologischem Wachstum
    • Intrinsische Bedürfnisse:
    • Kompetenz
    • Autonomie
    • Soziale Verbundenheit
    • Mediennutzung orientiert sich an diesen Bedürfnissen
  • Unterhaltungserleben: "Appreciation"
    • Statt Streben nach Unterhaltung, Suche nach „Meaningful Entertainment“
    • Form des Genusses von Medien auf höherer kognitiver Ebene
    • Wird empfunden bei:
    • Moralischer/ästhetischer Schönheit
    • Erinnerung an die eigene Endlichkeit und den Sinn des Lebens
  • Eudaimonische Medienauswahl
    • Zwei Glücksbegriffe in der antiken Philosophie
    • Hedonisches Glück: Maximierung von Lust, Vermeidung von Schmerz
    • Eudaimonisches Glück: Erkenntnis, Lebenssinn, Selbstentwicklung
  • Extrinsische Motivation
    • Wir tun Dinge, weil wir müssen oder weil sie Mittel zum Zweck sind
    • „Pflichtaufgaben“
    • Extrinsische Motivatoren: Gehalt, Süßigkeiten für gute Noten
  • Intrinsische Motivation
    • Wir tun Dinge, weil wir Freude daran haben
    • „Spaß an der Freude“
    • Vorteile:
    • Längere Auseinandersetzung mit Inhalten
    • Etabliert stabile Verhaltensmuster
    • Erhöht die Qualität der Ergebnisse
  • Was fördert die intrinsische Motivation: Kompetenz (Competence)
    • Richtiges Schwierigkeitsniveau entscheidend
    • Aufgabe zu leicht: unterfordernd, „witzlos“
    • Aufgabe zu schwer: überfordernd, frustrierend
    • Aufgabe unter Fokus lösbar: „sweet spot“
    • Medienbezug: Quizshows, Computerspiele
  • Was fördert die intrinsische Motivation: Autonomie (Autonomy)
    • Freiwillig? Optionen?
    • Freiheitsgrade ermöglichen individuelles Verhalten je nach Interesse, Lust & Laune
    • Medienbezug: Netflix, Podcasts
  • Was fördert die intrinsische Motivation: Eingebundenheit (Relatedness)
    • Eingebundenheit in ein soziales Miteinander
    • Menschen sind „soziale Tiere“
    • Soziale Einbettung tut gut, befriedigt Grundbedürfnis
    • Bedingung: Darf nicht dysfunktional sein
    • Sondern sinnvoll, wertschätzend, funktional
    • Medienbezug: Soziale Netzwerke, Public Viewing
  • Zusammenfassung: Self-Determination Theory (SDT)
    • Alle Menschen haben drei angeborene Grundbedürfnisse, die auf das Erleben von Selbstbestimmtheit abzielen:
    • Kompetenz, Autonomie, Zugehörigkeit
    • Gesellschaftliche Implikationen für Mediennutzung
    • Edutainment, Serious Games
  • Unterhaltung durch (fiktive) Geschichten und Auseinandersetzung mit Medienfiguren
    • Menschen werden in die Geschichte hineingezogen werden und haben das Gefühl, selbst Teil der Geschichte zu sein
    • Erfahrung, kognitiv, affektiv und bildlich in eine Geschichte gezogen zu werden -> Transportation
    • Faktoren, die dazu führen, dass Menschen sich in Geschichte hineingezogen fühlen:
    • Persönliches Vorwissen
    • Betroffenheit von der Thematik der Geschichte
    • Realismus einer Geschichte erscheint
    • Individuelle Neigung zu affektiven Reaktionen
    • Übereinstimmende Weltanschauung
  • Empathie und affektive Dispositionen
    • Empathie ist eine wichtige Voraussetzung für das Spannungs- und Unterhaltungserleben bei der Medienrezeption
    • Empathie ist jede übereinstimmende emotionale Reaktion auf die Beobachtung der emotionalen Reaktionen anderer Personen
    • Empathie entsteht aus zwei Gründen
    • Angeborene reflexhafte Reaktionen, z. B. Mimikveränderungen bei der Beobachtung von dargestellten Emotionen
    • Kognitive Prozesse, z. B. das Nachvollziehen von Handlungen der Protagonist:innen
  • Affektive Prozesse: Affective Disposition Theory
    • Affektive Dispositionen sind emotionale Einstellungen gegenüber Film-Charakteren
    • Entstehung: Moralischer Bewertungsprozess -> lenken Erwartungen und Wünsche bezüglich Handlungsverlauf
    • Ausgangspunkt: Moralische Urteile über Medienfigur, beruhend auf Beobachtung ihres Handelns
    • Positive Urteile → positive affektive Disposition (emotionale Voreingenommenheit)
    • Negative Urteile → negative affektive Disposition (emotionale Voreingenommenheit)
    • Affektive Dispositionen ändern sich dynamisch im Lichte aktualisierter moralischer Bewertungen
  • Affektive Prozesse: Affective Disposition Theory
    • Positive affektive Disposition → Empathisches Miterleben, Wunsch nach (für die Medienfigur) positivem Ereignisverlauf
    • Negative affektive Disposition → kein empathisches Miterleben, Wunsch nach (für die Medienfigur) negativem Ereignisverlauf
    • Eintritt des gewünschten Ereignisverlaufs führt zu positives Emotionen
    • Ausbleiben des gewünschten Ereignisverlaufs führt zu negativen Emotionen
    • Wunsch nach einem spezifischen Ereignisverlauf und Unsicherheit über dessen Eintreten sind ursächlich für das Erleben von Spannung
  • Affektive Prozesse: Affective Disposition Theory und Rezeptionserleben
    • Die Auflösung von Spannung führt zu Euphorie
    • Euphorie wird ausgelöst, wenn ein befürchteter Schaden für den Protagonisten/die Protagonistin abgewendet oder deutlich abgeschwächt wird
    • Die Euphorie ist umso stärker:
    • je stärker die positive Einstellung gegenüber dem Protagonisten ist
    • je stärker die negative Einstellung gegenüber dem Antagonisten ist
  • Zusammenfassung: Affektive Prozesse
    • Wir bewerten Medienfiguren auf Basis ihres (moralischen) Verhaltens und bilden Dispositionen. Dies beeinflussen das Spannungserleben (Affective Disposition Theory)
    • Bei der Medienrezeption kommt es außerdem zu Identifikation mit Medienfiguren, bei der wir eine Verbindung zwischen uns und der Figur spüren
    • Wir können Medienfiguren auch als „Freunde“ wahrnehmen und das Gefühl haben, mit ihnen (para-)sozial zu interagieren
    • Herausforderung: Mitfiebern mit unmoralischen/ambivalenten Hauptpersonen
  • Bezugnahme auf Medienfiguren: Parasoziale Interaktion
    • Fernsehen verfügt über keinen Rückkanal, parasoziale Interaktionen stellen somit „Als-ob“-Beziehungen zwischen Rezipient:in und Persona dar
    • Zwischen Rezipient:innen und Persona kommt es zu „gefühlter Wechselseitigkeit“
    • PSI entsteht durch automatisierte Prozesse der sozialen Wahrnehmung:
    • Wir kategorisieren alle Objekte in unserer Umgebung unwillkürlich in unbelebte Dinge vs. soziale Akteure
    • Medienpersona werden als soziale Akteure kategorisiert und behandelt, obwohl eine direkte Interaktion mit ihnen nicht möglich ist
  • Bezugnahme auf Medienfiguren - Parasoziale Interaktionen (PSI)
    • PSI bezeichnet die unvollständige Illusion einer direkten Interaktion zwischen Rezipient und Persona (Medienfigure)
    • Medialitätsbewusstsein bleibt erhalten → spielerische Gestalt von PSI
  • Bezugnahme auf Medienfiguren:
    Einflussfaktoren entscheiden über die Stärke der PSI
    • Die Obtrusivität der Persona, also ihre mediale Präsenz oder Aufdringlichkeit
    • Die Persistenz der Persona, also die Dauer und Häufigkeit ihres Auftretens
    • Die direkte Ansprache des Rezipienten/der Rezipientin durch die Persona
    • Die Attraktivität der Persona
    • Der Grad an Anthropomorphismus (Menschenähnlichkeit) der Persona und ihre Realitätsnähe (z.B. Mensch vs. Alien)
  • Bezugnahme auf Medienfiguren
    • Aus PSI können im Zeitverlauf parasoziale Beziehungen entstehen, die längerfristige Bindungen zu einer Persona beschreiben
    • Parasoziale Beziehungen stellen in der Regel keine innigen Freundschaften dar und leisten für die Mehrheit der RezipientInnen keinen Ersatz für reale Beziehungen
    • Parasocial Breakup: „Trennungsschmerz“ bei Verschwinden der Persona (bspw. Einstellung der Serie)
  • Identifikation
    • Imaginativer Prozess einer starken kognitiven und emotionalen Verbindung zwischen Rezipient:innen und Persona
    • Temporäre Übernahme der Perspektive, Identität, Gefühle, Ziele der Persona
    • Einhergehend mit verringerter Selbstwahrnehmung und einem verringerten Bewusstsein für die eigene Rolle als Rezipient/Rezipientin
    • Fördernde Faktoren
    • Wahrgenommene Ähnlichkeit zur Persona
    • Attraktivität/positive Wertung der Persona
    • Erzählperspektive (aus Sicht der Persona)
  • Bezugnahme auf Medienfiguren: Unterschiede zwischen affektiver Disposition, PSI und Identifikation
    • Sowohl bei empathischen Reaktionen als auch bei PSI handelt es sich um dyadische Prozesse: Der/die Rezipient:in nimmt sich und den/die Protagonist:in als unterschiedliche Personen wahr
    • Bei der Identifikation kommt es zum „Verschmelzen“ von Rezipient:in und Protagonist:in
  • Bezugnahme auf Medienfiguren: Zusammenfassung affektiver Disposition, PSI und Identifikation
    • Affektive Disposition
    • Rezipient:in beobachtet und bewertet Protagonist:in
    • Je nach Ausgang entsteht eine positive oder negative Bindung
    • Parasoziale Interaktion
    • Rezipient:in fühlt sich durch Protagonist:in „angesprochen“
    • Reagiert in Form von kognitiven, affektiven und konativen parasozialen Interaktionen
    • Fehlender Rückkanal
    • Identifikation
    • Rezipient:in übernimmt die Identität von Protagonist:in
    • Temporäre Veränderung des Selbstkonzepts
    • Übernahme der Eigenschaften des Charakters
  • Unterhaltung online
    • Internet als "Trägermedium" für klassische Formate:
    • Redaktionelle Inhalte
    • Bewegtbilder: TV-Livestream, Mediatheken, Video on Demand, YouTube etc.
    • Audio: Internetradio, Podcasts etc.
  • Unterhaltung online
    • Internet als "Trägermedium" für klassische Formate:
    • Redaktionelle Inhalte
    • Bewegtbilder: TV-Livestream, Mediatheken, Video on Demand, YouTube etc.
    • Audio: Internetradio, Podcasts etc.
    • Internet als interaktives Medium
    • Möglichkeiten des „Web 2.0“ zur:
    • Kommunikation
    • Partizipation
    • Produktion
    • Online- und Browser -Games