Emile Durkheim

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  • Für Durkheim kann Soziales nur durch Soziales erklärt werden
  • Soziologischer Tatbestand
    Eine mehr oder minder festgelegte Art des Handelns, die die Fähigkeit besitzt, auf den Einzelnen einen äußeren Zwang auszuüben; oder auch, die im Bereiche einer gegebenen Gesellschaft allgemein auftritt, wobei sie ein von ihren individuellen Äußerungen unabhängiges Eigenleben besitzt
  • Sozialer Tatbestand
    • Existiert äußerlich und unabhängig von einem besonderen Individuum (nämlich vor und nach der individuellen Handlung) und kann nicht beliebig verändert werden (Sanktionen)
    • Übt auf Individuen sozialen Druck aus
    • Regeln gelten innerhalb eines Kollektivs als bindend – Vorstellung des Kollektivs, er sei bindend, macht den „sozialen Tatbestand" bindend (sind weder in der Natur der Menschheit noch der Menschen begründet)
  • Soziale Tatbestand muss als Ding betrachtet werden, das nach Durkheim „objektiven" Charakter hat
  • Aufgabe der Soziologie
    • Untersuchung sozialer Tatsachen – Aspekte des sozialen Lebens, die unsere Handlungen als Individuen formen (wirtschaftliche Verhältnisse, Geld, Religion, das Recht…)
  • Gesellschaft
    Eine Wirklichkeit eigener Art: "Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile."; führt ein Eigenleben - ist mehr als die Handlungen und Interessen der einzelnen Mitglieder
  • Gesellschaft (das Kollektiv)

    Übt auf den einzelnen einen Zwang aus, der dem einzelnen allerdings oft nicht bewusst ist
  • Ursprung der sozialen Ordnung
    Der Zwang, der durch das Kollektiv ausgeübt wird – zentral: die kollektive Reaktion auf individuelles Verhalten (z.B. abweichendes Verhalten) – einheitliche Reaktion setzt gemeinsam geteilte Anschauungen, Normen, Solidarität voraus – kollektives Bewusstsein
  • Sozialisation
    Wie kann in komplexen Gesellschaften soziale Integration hergestellt werden? Dann, wenn alle Gesellschaftsmitglieder die Normen und Zwangsmechanismen verinnerlichen. Durch „Sozialisation" werde der Mensch erst gesellschaftsfähig. Kulturelle Sinn- und Wertorientierungen, die das soziale Gedächtnis einer Gesellschaft bilden, sind für die Integration einer Gesellschaft prägend
  • Anomie
    Soziale Normen verlieren ihre Macht, das individuelle Verhalten zu steuern. Abschwächung normativer Ordnungen (Gilden, Zünfte, Kirche, Familie, Nachbarschaft) in der Moderne
  • Im Zuge der Individualisierung kommt es keinesfalls zu einem Rückzug des Kollektivs, sondern es nimmt mit zunehmender Individualisierung die Ausweitung der kollektiven Regulierung durch das Rechtssystem zu
  • Autonomie des Individuums
    Ist das Ergebnis kollektiven und individuellen Handelns – „Kult des Individuums". Es ist eine kollektive Sakralisierung der individuellen Persönlichkeit, die die Rechte des Einzelnen/der Einzelnen definiert und das Individuum vor Verletzungen seiner Rechte durch andere Individuen, durch Behörden oder den Staat schützt
  • Selbstmord
    Jeder Todesfall, der direkt oder indirekt auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die vom Opfer selbst begangen wurde, wobei es das Ergebnis seines Verhaltens im voraus kannte
  • Für Durkheim ist der Selbstmord eine soziale Tatsache, die nur durch andere soziale Tatsachen erklärt werden kann
  • Durkheim zeigt, dass es keinen zwingenden Zusammenhang zwischen individuellen Zuständen (z.B. „Geisteskrankheit", Alkoholismus) und der Selbstmordhandlung gibt
  • Jede Gesellschaft hat in jedem Augenblick ihrer Geschichte jeweils eine bestimmte Neigung zum Selbstmord
  • Selbstmordtypen nach Durkheim
    • Egoistischer Selbstmord
    • Altruistischer Selbstmord
    • Anomischer Selbstmord
    • Fatalistischer Selbstmord
  • Egoistischer Selbstmord
    Soziale Bindungen lockern sich, das Individuum ist isoliert und ungenügend in die Gesellschaft integriert
  • Altruistischer Selbstmord

    Starke soziale Bindungen und Integration in die Gruppe; das individuelle Leben gilt wenig; eher ein traditionelles Relikt
  • Anomischer Selbstmord
    Typisch für moderne Gesellschaften (z.B. bei wirtschaftlichen Zusammenbrüchen, aber auch bei plötzlichem Wohlstand), soziale Schranken und Zwänge werden geringer, es herrscht ein Mangel an gesellschaftlichen Regeln und Kontrolle
  • Fatalistischer Selbstmord

    Zu starke soziale Kontrolle und Reglementierung (Gegensatz zur Anomie)
  • Gelingt der Nachweis, so Durkheim, für die soziale Bedingtheit des Selbstmordes, sei das ein weiterer Beweis für die Existenz des Sozialen und für die Notwendigkeit der Soziologie als Wissenschaft von den sozialen Tatsachen
  • Durkheim möchte die Soziologie als Wissenschaft etablieren und als Lehrfach an der Universität institutionalisieren
  • Das Phänomen des Selbstmordes schien ihm ein dafür geeigneter Forschungsgegenstand zu sein
  • Vorgehen
    1. Makrosoziale Analysen der Zusammenhänge der Suizidraten der politischen Bezirke Österreichs mit den jeweiligen regionalen Ausprägungen anderer, vornehmlich soziologischer Parameter
    2. Mikrosoziale Analysen der Suizide in der Steiermark: sekundär-statistische Analysen der amtlichen Todesursachenstatistik; Auswertung sicherheitsbehördlicher Akten; Informationen der Sozialversicherungsanstalten
  • Ökologische Faktoren
    • Zusammenhang zwischen Dauersiedlungsraum bzw. Anteil an Waldfläche eines Bezirkes und Suizidrate; Steiermark hat viele solcher Bezirke – geringere Sonneneinstrahlung, stärkeres Vorherrschen traditionell-ruraler Lebensweisen, schlechtere Versorgung hinsichtlich medizinischer und insbesondere psychiatrisch-psychotherapeutischer Einrichtungen
  • Demographische Faktoren
    • Bezirke mit starken Abwanderungserscheinungen weisen eine höhere Selbstmordrate auf; auch hier viele in der Steiermark
  • Familienstand
    • Höhere Scheidungsraten mit einer etwas niedrigeren Selbstmordrate (hier Diskrepanz zu mikrosozialen Analysen: hier Scheidung/Trennung sehr wohl relevant – 2000-2004: in 12% der eingesehenen polizeilichen Akten wird eine Partnertrennung als (Teil-)Ursache des Suizids genannt)
  • Migrationshintergrund
    • Höhere Anteile an "ausländischen Staatsbürgern" gehen mit niedrigeren Selbstmordraten einher
  • Regionale Haushalts- und Wohnstrukturen
    • Schwacher Zusammenhang: Steiermark: Bezirke mit kleineren Haushalte haben eine höhere Suizidrate; Österreich: umgekehrt
  • Wohnfläche pro Person
    • Kleinere Wohnflächen pro Person sind mit höheren Suizidraten assoziiert
  • Anstaltsaufenthalte
    • 8% aller Suizide in der Steiermark (2000-2004) wurden während "Anstaltsaufenthalten" (psychiatrische Institutionen, Seniorenheime...) verübt
  • Wohnungsausstattung
    • Bezirksanteil mit bestausgestatteten Wohnungen (Kategorie A) korreliert mit Suizidrate; Zusammenhang österreichweit schwach, steiermarkweit stark
  • Arbeitnehmereinkommen
    • "Reichere Bezirke" - geringere Suizidraten (Österreich); gilt nicht für die Steiermark: obersteirischen Bezirke sind nicht die "ärmsten" hinsichtlich des Einkommens
  • Relative Deprivation
    • Bedeutsam (zeigen auch Polizeiakten: 10% - finanzielle Notsituation)
  • Arbeitslosigkeit
    • Höhere Arbeitslosenquote über einen bestimmten Zeitraum korreliert mit höheren Suizidraten
  • Arbeiter- und Angestelltenanteile
    • Höhere Arbeiteranteile korrelieren mit höheren Selbstmordraten (10 der 25 Bezirke mit den höchsten Arbeiteranteilen liegen in der Steiermark)
  • Land- und Forstwirtschaft
    • Bezirke mit höheren Anteilen an Land- und ForstwirtInnen haben tendenziell eine höhere Selbstmordrate
  • Zu Lebzeiten war Durkheim sehr erfolgreich darin, seine Denkschule im akademischen Kontext Frankreichs zur etablieren
  • Sein Einfluss wurde sehr lange als ein tendenziell "unsichtbarer" beschrieben